Die Bestände der gebäudebewohnenden Vogel- und Fledermausarten gehen immer mehr zurück, sodass europäische Vogelarten im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) prinzipiell als besonders zu schützende Arten eingestuft wurden und alle Fledermausarten laut Anhang IV der FFH-Richtlinie als streng zu schützende Arten gelten. Gebäudebewohnende Vogel- und Fledermausarten sind Kulturfolger; das heißt, dass ihre natürlichen Lebensräume heutzutage weitgehend verschwunden und sie daher auf den Menschen angewiesen sind. So nisten und schlafen diese Arten in Nischen, Hohlräumen und Spalten von Gebäuden. Allerdings werden Altbauten saniert oder abgerissen, sodass diese Unterschlupfmöglichkeiten verschwinden.
Wie man mit geringem Aufwand Vogelnistplätze und Fledermausquartiere in Gebäudeneubauten integrieren kann, soll diese Broschüre zusammenfassen und somit Gebäudeplaner und Bauherren auf die Problematik aufmerksam machen und einfache konstruktive Lösungsansätze aufzeigen.
Zur Integration in Ausführungsplanungen können die Konstruktionszeichnungen im .dwg-Format kostenfrei heruntergeladen werden. Als Ansprechpartner für Fragen zum baulichen Artenschutz steht der NABU gerne zur Verfügung.
Die Broschüre wurde auf Grundlage der Bachelorarbeit von Jule Weber mit dem Titel „Konstruktive Lösungsansätze für den Artenschutz gebäudebewohnender Vogel- und Fledermausarten im Gebäudeneubau” (eingereicht an der HTWK Leipzig im September 2014) erstellt. Der NABU-Regionalverband Leipzig bedankt sich herzlich für die Zusammenarbeit!
Der Traufbereich an Gebäuden bietet zahlreiche Möglichkeiten für Mauersegler, Haussperlinge und Fledermausarten. Welchem Tier man dabei die Chance zur Ansiedlung geben möchte, hängt von der Einflugöffnung ab. Die Anfluglöcher für Spatzen sind an der Blende, für Fledermäuse am Kastenboden, für Mauersegler können sie sowohl an der Blende, als auch am Kastenboden eingearbeitet werden. Die einzelnen Quartiere sollten voneinander über eine Kammerung getrennt werden. Bei allen Konstruktionselementen sollten die Oberflächen rau und unbehandelt sein.
Ist anstelle eines Dachkastens eine Unterlüftung des Daches am Gebäude vorgesehen kann der untere Bereich durch eine Öffnung im Lüftungsgitter für Fledermäuse zur Verfügung gestellt werden. Dabei sollte der Quartiersbereich mit Holz abgegrenzt werden.
Wenn der Spalt mit Brettern auf 5 bis 3 cm eingeengt wird, erhöht sich die Annahmewahrscheinlichkeit:
Bei der Erneuerung oder dem Neubau von Wandverkleidungen z.B. an Giebelseiten können großräumige Quartiere für Fledermäuse geschaffen werden. Dazu müssen in der tragenden Lattung lediglich Lücken von 10 bis 2 cm belassen werden. Diese Lücken können zur Erschließung des gesamten Giebelbereiches beitragen und damit außerordentlich wertvolle Fledermaus-Sommerlebensräume schaffen.
Bei Schieferverkleidungen wird eine oder mehrere Schiefertafeln angekippt, indem eine zusätzliche Querlatte längs angeschrägt eingebaut wird. Der so entstehende Spalt kann als Einflug für Fledermäuse genutzt werden. Die zusätzliche Querlatte sollte eine 2 cm tiefe Nut wandseitig aufweisen, um den Quartiersraum zu vergrößern.
Für Fassaden gibt es zahlreiche vorgefertigte Bauteile um eine Ansiedlung zu ermöglichen. Diese Bauteile werden meist in die Dämmung integriert und lockern monotone Fassaden gleichzeitig auf. Im Zuge dieser Zusammenstellung soll die Anwendung nur anhand eines Mauerseglerquartiersstein beispielhaft dargestellt werden.
Der Klassiker unterhalb der Dachtraufe sind Mehlschwalbennester. Zur Förderung des Nestbaus reicht es, die Fassade unterhalb der Traufe aufzurauen oder eine flache Latte horizontal auf die Fassade zu schrauben. Befinden sich im Umfeld ausreichend Lehmpfützen, haben Mehlschwalben geeignete Bedingungen, ihre Nester unter der Traufe zu bauen. Um die Verunreinigung mit Kot zu verhindern, wird ein Kotbrett empfohlen
Mauersegler
Mehlschwalbe
Haussperling
Breitflügelfledermaus
Zwergfledermaus
Bauherren und Gebäudebesitzer müssen bei Sanierungs- und Abrissvorhaben die artenschutzrechtlichen Bestimmungen beachten und frühzeitig in die Planungen einbeziehen. Aber leider kommt es immer wieder zu eigentlich vermeidbare Baustopps und Bauverzögerungen, weil die Naturschutzgesetze nicht berücksichtigt wurden.
Oftmals sind es aufmerksame Anwohner, die den NABU bzw. die Naturschutzbehörde (Amt für Umweltschutz der Stadt Leipzig) auf drohende Rechtsverstöße aufmerksam machen, sodass ein Baustopp herbeigeführt werden kann. Ohne solche Hinweise wären in vielen Fällen gleich mehrfach Bestimmungen von § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) verletzt worden.
Bei Sanierungsmaßnahmen ist der gesetzliche Artenschutz immer zu beachten! Von Wohnungsgenossenschaften bzw. beauftragten Planern wird das im Vorfeld der Bauausführung aber häufig nicht ausreichend berücksichtigt. Verstöße führen in vielen Fällen zum Verlust von Nistplätzen, in manchen Fällen werden auch die lebenden Tiere in ihren Quartieren eingeschlossen und müssen qualvoll sterben, was einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz § 1 Satz 2 darstellt.
Der gesetzliche Artenschutz umfasst den Schutz der besonders und streng geschützten Tier- und Pflanzenarten nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 und 14 BNatSchG. Dieser Schutzstatus erstreckt sich auch auf gebäudebesiedelnde Tiere. Zu den besonders geschützten Arten gehören beispielsweise alle europäischen Vogelarten, wie auch Wildbienen und Hornissen. Streng geschützte Arten sind zum Beispiel alle Fledermäuse, sowie Turmfalke, Schleiereule und Waldkauz.
Nach § 44 Abs. 1 BNatSchG ist es verboten,
Nr. 1: […] geschützte Arten […] zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (Verletzungs- und Tötungsverbot),
Nr. 2: […] Tiere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten so erheblich zu stören, dass sich der Erhaltungszustand der lokalen Population verschlechtert (Störungsverbot),
Nr. 3: […] Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der Tiere aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (Habitatschutz).
Die Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG gelten prinzipiell und unabhängig von der bau- oder denkmalschutzrechtlichen Genehmigung! Der Schutz der Fortpflanzungs- und Ruhestätten ist dabei in Abhängigkeit zur Standorttreue der jeweiligen Tierart zu sehen. Nutzt eine Art das Nest oder die Spalte saisonal wiederkehrend, gilt ein ganzjähriger Schutz der Lebensstätte. Dies betrifft beispielsweise Quartiere von Fledermäusen, Mauerseglern und Schwalben.
Gemäß § 3 Abs. 4 HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) ist in der Leistungsphase 1 eine Grundlagenermittlung durch die beauftragten Architekten oder Bauplaner durchzuführen. Zu dieser gehört auch die überschlägige Prüfung auf Vorkommen geschützter Arten am Gebäude und die daraus resultierende Einleitung von erforderlichen Maßnahmen. Auch bei einem Nicht-Hinzuziehen von Planern ist unabhängig von der Art der Bau- oder Sanierungsmaßnahme der Artenschutz im Vorfeld zu berücksichtigen. Bei einem Verdacht auf die Besiedlung von Spalten, Ritzen und Nestern muss die Naturschutzbehörde informiert und frühzeitig ein Fachgutachter zur eingehenderen Untersuchung beauftragt werden. Im Zuge des Gutachtens kann dann ermittelt werden, welche Maßnahmen notwendig sind, um die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten.
Die Beeinträchtigung geschützter Tierarten oder ihrer Fortpflanzungsstätten kann nach § 69 BNatSchG mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 bzw. 50.000 Euro geahndet oder nach § 71 BNatSchG strafrechtlich verfolgt werden.
Verstöße führen zu Kostensteigerungen und vermeidbarem Tierleid sowie bei Anwohnern, die sich über ein naturnahes Umfeld, Vögel und andere Tiere freuen, zu einem Verlust von Wohnort- und Lebensqualität. Der NABU erwartet deshalb, dass sich Bauherren und ausführende Firmen über die Naturschutzgesetzgebung informieren und diese im Interesse Aller beachten. Artenschutzexperten des NABU stehen dabei gerne beratend zur Verfügung.
NABU-Regionalverband Leipzig
Corinthstraße 14, 04157 Leipzig
www.NABU-Leipzig.de, info@NABU-Leipzig.de
Telefon: 0341 6884477 (Hotline für Vogelnotfälle und Artenschutzberatung)
NABU-Naturschutzinstitut Leipzig (NSI)
Bertolt-Brecht-Straße 9, 04347 Leipzig
Telefon: 0341 23486080, www.Naturschutzinstitut.de
NABU-Landesverband Sachsen
Löbauer Straße 68, 04347 Leipzig
Telefon: 0341 337415-0, www.NABU-Sachsen.de
Stadt Leipzig, Amt für Umweltschutz
Prager Straße 118-136, 04317 Leipzig
Telefon: 0341 123-3420, Umweltschutz@Leipzig.de
Zentrum Artenschutz am Gebäude
www.Lebensraumhaus.NABU-Berlin.de
Gebäudebrüter – Schutz einer faszinierenden Natur
www.Gebaeudebrueter.de
Deutsche Gesellschaft für Mauersegler
www.Mauersegler.com
Infos über Rabenvögel
www.corvus-monedula.com