Ende Februar hat der Weltklimarat IPCC einen weiteren Bericht zur Klimakrise vorgelegt. Dabei lag der Fokus stärker als bisher auf dem Zusammenhang zwischen Klimakrise und Biodiversitätskrise. Im Bericht wird die Bedeutung natürlicher Ökosysteme für die Klimaanpassung betont. Zugleich werden die verheerenden Folgen der Klimakrise erläutert, schon jetzt sei die Hälfte der Menschheit durch den Klimawandel hochgradig gefährdet – unter anderem durch Hitze, Dürre, Überschwemmungen oder Wassermangel.
Der Klimawandel lässt sich laut IPCC nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn gleichzeitig auch die Ökosysteme geschützt und die biologische Vielfalt erhalten werden. Der Erhalt der Biodiversität sei
so wichtig wie die Reduktion von Treibhausgasen.
Eine der dringlichen Forderungen lautet, mindestens 30 bis 50 Prozent der Ökosysteme weltweit vor starken menschlichen Eingriffen zu schützen. Aktuell sind 15 Prozent der Land- und 8 Prozent der
Wasserflächen geschützt. Der Bericht betont insbesondere den Wert von Auen, welche Extremwetterereignisse abmildern und als intakte Ökosysteme einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der
Artenvielfalt leisten können.
Blickt man vor diesem Hintergrund auf die Entwicklung der vergangenen Jahre in Leipzig wird deutlich, dass der Schutz der Ökosysteme hier keinen ausreichenden Stellenwert hat – ganz im Gegenteil:
Der Verlust der Stadtnatur, fortschreitende Flächenversiegelung, naturferne Pflege von Grünanlagen und Gewässern, die Rodung von Bäumen und Sträuchern sind Sargnägel für Biodiversität und Klima.
Ein wesentlicher Beitrag für Biodiversität und Klimaschutz muss eine Revitalisierung des Leipziger Auenökosystems sein. Der NABU fordert das seit Jahrzehnten und engagiert sich dafür auf
verschiedenen Ebenen. Doch eine wirksame Auenrevitalisierung lässt weiter auf sich warten, Nichtstun wird den Zustand sogar weiter verschlechtern.
Die Entwicklung Leipziger Gewässer erfolgt nicht mit Blick auf eine Renaturierung – vielmehr steht der Tourismus im Mittelpunkt. Es sollen sogar Unsummen investiert werden, um Leipziger
Fließgewässer weiterhin durch Betonbetten fließen zu lassen. Der NABU Leipzig fordert von Politik und Verwaltung, den Schutz der Natur in den Vordergrund zu rücken. Statt neuer Baugebiete müssen
Naturschutzflächen ausgewiesen werden!
Biodiversität und Klimaschutz müssten eigentlich bei politischen Entscheidungen zu den wichtigsten Kriterien gehören, stattdessen fallen sie regelmäßig unter den Tisch – andere Belange werden als
wichtiger eingeschätzt. Seit den Siebzigerjahren schon mahnen und warnen die Wissenschaftler, der IPCC-Bericht ist ein weiterer Weckruf, schon bald wird es zu spät sein, dann sind wichtige
Kipppunkte erreicht und weder Klima noch Ökosysteme können gerettet werden.
Der Bericht beleuchtet auch Städte – in ihnen leben schon jetzt 50 und bald sogar 70 Prozent aller Menschen weltweit. Europa wird sich laut Bericht schneller als der globale Durchschnitt
erwärmen, dadurch werden besonders in stark versiegelten Städten durch Hitzewellen mehr Menschen sterben, die Landwirtschaft wird unter Hitzestress und Dürren leiden und Wassermangel wird mit
Hochwasserlagen wechseln. Steigt die Temperatur um 3 Grad, ist mit dreimal so vielen Hitzeopfern wie bei einer Erwärmung um 1,5 Grad zu rechnen. Bei einer Erwärmung um mehr als 3 Grad stößt der
Mensch laut Bericht bereits an die Grenzen seiner Anpassungsfähigkeit. Für Tiere und Pflanzen in Europa ist bereits bei 1,5 Grad Anstieg die Grenze der Anpassungsfähigkeit erreicht.
In Leipzig sind solche Veränderungen schon jetzt spürbar. Strategien dagegen sucht man aber mit der Lupe, meist sind es nur Konzepte, deren Umsetzung fehlt. Kleine Einzelprojekte und Ansätze gibt
es, doch weder Stadtentwicklung noch Politik haben die zwingende Abkehr von Beton und Asphalt verstanden, denn es werden weiter alle Baulücken mit Betonklötzen gefüllt und Wiesenflächen am
Stadtrand mit flächenineffizienten Eigenheimen versiegelt. Der Bericht empfiehlt hingegen genau das Gegenteil: Der IPCC rät zu begrünten Innenstädten, mehr Parks und mehr Teichen für Mensch und
Tier.
Aktuell halten die Autoren des Berichtes eine Erwärmung um 2 Grad für realistisch. Das würde bedeuten, dass innerhalb der Lebensspanne eines jetzt geborenen Menschen fast jede fünfte an Land
lebende Tier- oder Pflanzenart vom Aussterben bedroht wäre. Schon jetzt haben Kinder in der Stadt kaum noch die Möglichkeit, Stadtnatur zu erleben. Auch das Wissen über die betroffenen Arten
schwindet mehr und mehr und damit das Bewusstsein für den Wert der Biodiversität. Doch in der Leipziger Stadtpolitik ist das nicht der Maßstab, noch immer wird der Profit von Investoren höher
bewertet als der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, von Klima und Gesundheit. Noch vor kurzem gab es Lebensräume in denen die sogenannten „Allerweltsarten“ zuhause waren. Mit dem
zunehmenden Verlust dieser Lebensräume sind bald auch die heute noch häufigen Arten vom Aussterben bedroht – ja örtlich sind sie tatsächlich schon ausgestorben!
In Leipzig wird ständig die „graue Infrastruktur“ erweitert, obwohl hier die Wärme besonders stark und lange gespeichert wird. Was ist mit der „grünen und blauen Infrastruktur“? Sie taucht nur in Analysen und Konzepten auf, wird aber wenn es darauf ankommt stets anderen Interessen geopfert. Dabei sind Grünflächen und Gewässer ein wichtiger Beitrag nicht nur zum Biotop- und Artenschutz, sondern auch zum Klimaschutz. Sie dienen der Kühlung und Wasserrückhaltung und auch der menschlichen Gesundheit und dem Wohlbefinden.
Der NABU Leipzig fordert deshalb schon lange eine zeitgemäße Stadtplanung mit gezielter Entsiegelung, ökologisch funktionaler Begrünung und dem Erhalt bestehender Lebensräume, und zwar bei jedem Bauvorhaben, bei jeder Sanierung und auch bei jeder Stadtratsentscheidung. Das Zeitfenster zum Handeln schließt sich laut IPCC-Bericht bis 2030 – ein Weiter-so ist daher keine Option! Klimakrise und Artensterben müssen gemeinsam bekämpft werden.
Die Klimakrise ist jetzt. Wir leben auf Kosten der Menschen, die schon seit Jahren von den Folgen der Klimakrise betroffen sind und es in Zukunft noch stärker sein werden. Wir sagen solidarisch mit den am stärksten Betroffenen dieser Krise: #PeopleNotProfit.
Und wir wissen: eine klimagerechte Welt ist möglich, doch dafür braucht es am 25. März die gesamte Gesellschaft auf den Straßen! Nur wenn wir den Druck erhöhen, können wir in den nächsten Jahren echte Klimagerechtigkeit erkämpfen. Also auf die Straßen am 25. März!
Gemeinsam mit Fridays For Future beteiligte sich auch der NABU am weltweiten Klimastreik.
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