Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) wurde zum Vogel des Jahres 2023 gewählt. Foto: Johanna Große
Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) hat die Wahl zum Vogel des Jahres 2023 gewonnen. Der Vogel ist ein Botschafter für wilde Wiesen, die leider aufgrund der intensiven Landwirtschaft immer seltener zu finden sind. Braunkehlchen bevorzugen die offene Landschaft mit strukturreichen feuchten Wiesen umsäumt von Baum und Heckenreihen. Die Wiesen dürfen nicht zu früh und zu oft gemäht werden. Ausreichend Sing- und Jagdwarten in Bodennähe gehören ebenfalls zur Ausstattung des Lebensraums.
Das Braunkehlchen ist 12 bis 14 Zentimeter groß und hat seinen Namen von seiner braun-orangen Brust und Kehle. Zur Nahrung gehören Insekten, Spinnen und Würmer, im Herbst auch Beeren. Das Braunkehlchen ist ein Langstreckenzieher, fliegt im September rund 5.000 Kilometer ins Winterquartier südlich der Sahara. Im April kehren die Vögel zurück in die heimischen Brutgebiete, von denen es aber leider immer weniger gibt. In Deutschland leben noch 19.500 bis 35.000 Brutpaare, Tendenz stark fallend. Schon 1987 führte der alarmierende Rückgang des Braunkehlchens zu seiner Wahl zum Vogel des Jahres, leider hat sich seitdem nichts am Lebensraumverlust geändert – eine Agrarwende ist dringend nötig.
In den Wiesenlandschaften Sachsens war das Braunkehlchen einst ein weit verbreiteter Singvogel. Seit den 1960er- und 1970er-Jahren gehen die Bestände hedoch immer weiter zurück. Hauptursache dafür sind Lebensraumveränderungen, wie die Entwässerung von Feuchtgrünland oder die Umwandlung von Grünland in Acker, die intensive Nutzung von ehemaligem Brachland, zu zeitige oder häufige Mahd oder die Beweidung von Grünland während der Brutzeit. Deshalb ist das Braunkehlchen in Sachsen stark gefährdet. Bei der landesweiten Bestandserfassung von 1978 bis 1982 wurden noch 2.500 bis 5.000 Brutpaare gezählt, zwischen 2004 und 2007 nur noch 1.500 bis 3.000, 2016 wurde das Vorkommen in Sachsen auf lediglich 500 bis 800 Brutpaare geschätzt. Lebensräume findet das Braunkehlchen in Sachsen heute hauptsächlich in den kammnahen Lagen des Erzgebirges und in Bergbaufolgelandschaften.
In der Stadt Leipzig fehlen geeignete Lebensräume weitgehend, weshalb das Braunkehlchen hier zu den seltensten Vogelarten zählt, die wenigen existierenden Lebensräume wurden und werden oft rücksichtslos Bauprojekten geopfert. So setzt sich der NABU Leipzig seit vielen Jahren für die naturnahe Gestaltung am Grünen Bogen Paunsdorf ein. Angrenzend an das Landschaftsschutzgebiet gab es gegenüber dem Paunsdorfcenter ein Brutpaar, welches bereits seine wilde Wiese durch die Erweiterung eines Gewerbegebietes verloren hat. Der danach genutzte Nistplatz ist durch das geplante Wohnbaugebiet Kiebitzmark bedroht.
Fast 135.000 Menschen haben bei der dritten öffentlichen Wahl zum Vogel des Jahres mitgemacht. Ihre Entscheidung für das Braunkerhlchen ist ein Votum für eine naturverträglichere Landwirtschaft, denn für den Erhalt der Artenvielfalt braucht es eine vielfältige Landschaft und eine ökologisch orientierte Bewirtschaftung. Man kann dem Braunkehlchen also auch helfen, indem man sich beim Einkauf für ökologisch produzierte Lebensmittel entscheidet.
Die Menschen haben eine europaweit stark gefährdete Art zum Vogel des Jahres gewählt und verschaffen ihr so die dringend nötige Aufmerksamkeit. Das Braunkehlchen bekam rund 43,5 Prozent der Stimmen und löst damit den Wiedehopf als Vogel des Jahres ab. Auf dem zweiten Platz landete der Feldsperling mit rund 18 Prozent der Stimmen, gefolgt von Neuntöter (16,4 Prozent), Trauerschnäpper 15,6 Prozent und Teichhuhn (6,5 Prozent).
Bis zum 27. Oktober 2022 konnte man abstimmen über den Vogel des Jahres 2023. Zur Wahl standen fünf Kandiaten: Braunkehlchen, Feldsperling, Neuntöter, Teichhuhn und Trauerschnäpper. Jede dieser Vogelarten steht für ein Anliegen des Naturschutzes – es geht darum, ihre Lebensräume zu schützen. Klimakrise, Insektenschwund, intensive Landwirtschaft und Verlust von naturnahem Grün bedrohen die Artenvielfalt – die fünf Vogelarten stehen damit als Stellvertreter für viele andere Lebewesen. Weiterlesen