Mehr als 100 Fachleute und interessierte Laien nahmen am 7. und 8. Oktober an der Fachtagung „Neues Wasser auf alten Wegen“ im Neuen Rathaus Leipzig teil. Die Partner des Projekts „Lebendige
Luppe“, zu denen auch der NABU-Landesverband Sachsen e. V. gehört, stellten den Teilnehmern aus Praxis und Forschung für Landschaftsplanung, Landschaftsbau, Landespflege, Wasserbau und
Wasserwirtschaft sowie Naturschutz die Revitalisierungspläne im nordwestlichen Leipziger Auwald vor.
Über die Hälfte der Gäste nahm am Morgen des ersten Veranstaltungstages das Angebot zu einer Exkursion ins Projektgebiet wahr und konnte sich dort nicht nur einen Eindruck vom aktuellen Zustand
des Leipziger Auwalds, sondern auch von der Idee und den Zielen des Projekts „Lebendige Luppe“ verschaffen.
Zum Auftakt der Tagung hoben anschließend Dr. Thomas Ehlert vom Bundesamt für Naturschutz in Bonn, Prof. Dr. Bernd Hansjürgens vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig und Prof. Dr.
Christian Wirth von der Universität Leipzig die Bedeutung von Flussauen in Hinblick auf Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen hervor. Thomas Ehlert zitierte den Auenzustandsbericht des BfN
aus dem Jahr 2009, wonach nur noch 10 bis 20 % der ehemaligen Auen an den großen Flüssen Deutschlands existieren. Weniger als 10 % der Auen sind noch ökologisch funktionsfähig. Während Christian
Wirth aus der Sicht des Biologen die wissenschaftlichen Ansätze zur Biodiversitätsforschung erläuterte, rückte der Ökonom Bernd Hansjürgens die bislang weit verbreitete Vernachlässigung des
ökonomischen Nutzens von Auen in den Mittelpunkt seines Vortrags. Durch Hochwasserschutz, Nährstoffrückhalt, den Rückhalt von Treib-hausgasen und eine Reihe weiterer Funktionen stellen
Auenlandschaften einen messbaren Wert für den Menschen dar. Es sei eine wichtige Aufgabe des Vorhabens „Lebendige Luppe“, diesen Wert im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern, nicht zuletzt um
die Akzeptanz für Erhaltungsmaßnahmen in den Auen zu erhöhen.
Vor dem Hintergrund dieser Einführungen präsentierten Projektleiterin Angela Zábojník (Stadt Leipzig, Amt für Stadtgrün und Gewässer) und Philipp Steuer vom NABU-Landesverband Sachsen e. V. die
geplanten Vorhaben und den erhofften Nutzen des Projekts im Leipziger Auwald. Beide Referenten betonten, dass das Projekt nur als ein Baustein in einem Bündel von notwendigen Maßnahmen zur
Wiedervernässung der Leipziger Aue verstanden werden kann. In direktem Bezug zum Leipziger Projekt berichtete Ulrich Detering von der Bezirksregierung Arnsberg von den Unwägbarkeiten im
Planungsprozess der Lipperenaturierung in Nordrhein-Westfalen. Peter Fischer von der Universität Eichstätt-Ingolstadt gab darüber hinaus Einblicke in die Erfahrungen mit der Dynamisierung der
Donauauen bei Neuburg in Bayern. Er betonte, dass trotz sorgfältigster Planung die Ergebnisse der Renaturierungsmaßnahme nicht den Berechnungen und damit verbundenen Erwartungen entsprachen.
Jedes Revitalisierungsprojekt müsse sich im Klaren darüber sein, dass die Maßnahme einen neuen Gewässerzustand schaffen würde und ein Zurück zu historischen Verhältnissen unmöglich sei. Dr.
Barbara Stammel, ebenfalls Universität Eichstätt-Ingolstadt, rückte bei ihren Erläuterungen zum Dynamisierungsprojekt in den Donauauen dessen Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen in den
Vordergrund. Veronica Dahm von der Universität Duisburg-Essen gab dem Auditorium Einblicke in ihre Auswertung mehrerer Gewässerentwicklungsprojekte in Nordrhein-Westfalen und leitete daraus
Kriterien für eine Erfolgskontrolle solcher Projekte ab. In Ergänzung zu diesen Vorträgen führte Mathias Scholz vom UFZ Leipzig in die Methoden der naturwissenschaftlichen Begleitung des Projekts
„Lebendige Luppe“ ein und stellte die gemeinsam mit Dr. Carolin Seele und Dr. Annett Krüger (beide Universität Leipzig) erarbeiteten ersten Ergebnisse der Boden- und Wasseranalysen vor.
Zum Abschluss der Tagung wurden Fragen der Öffentlichkeitsbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit zur Diskussion gestellt. Prof. Dr. Sylke Nissen, Universität Leipzig, skizzierte die
Rahmenbedingungen für Partizipation und Akzeptanz in öffentlichen Projekten, wie es die „Lebendige Luppe“ darstellt, während Maria Vitzthum vom NABU-Landesverband Sachsen e. V. die
Öffentlichkeitsarbeit im Luppe-Projekt vorstellte. Die Relevanz sowohl der Öffentlichkeitsarbeit als auch der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern am Projektfortschritt wurde unterstrichen
durch die Erfahrungen, die Martin Nußbaum von der Bezirksregierung Köln im Zuge der Renaturierung der Siegmündung und Stefan Kessen als Mediator des Konfliktes um die Zukunft des Landwehrkanals
in Berlin gemacht hatten. Beide machten deutlich, dass stärker als bisher die Kommunikation mit den Betroffenen und die Suche nach Unterstützung in der Bevölkerung als entscheidende Faktoren für
das Gelingen solcher Projekte wahrgenommen werden müssen.
Alle Vorträge stießen bei dem sehr heterogen zusammengesetzten Publikum auf großes Interesse und führten zu lebhaften Diskussionen. Nicht nur das Projekt-Team der „Lebendigen Luppe“, sondern auch
viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer äußerten sich sehr zufrieden über die Tagung und nahmen Anregungen für ihre weitere Arbeit mit. Projektleiterin Angela Zábojník resümierte: „Wir konnten
wichtige Kontakte zu Verantwortlichen für ähnliche Projekte in ganz Deutschland herstellen und festigen. Insbesondere diese Vernetzung ist ein wichtiger Aspekt solcher Veranstaltungen, um die
Idee des Projekts auch über Sachsen hinaus bekannt zu machen, aber auch um sich Input, Anregungen und Hinweise zu holen, die wir auf unserem weiteren, sechsjährigen Weg einbeziehen können.“