Vögel lebendig eingemauert

NABU stellt Strafanzeige gegen Wohnungsgenossenschaft

Vögel, wie dieser Star, konnten nicht mehr zu den Nistplätzen. Die Bruthöhlen waren verschlossen. Fotos: NABU Leipzig
Vögel, wie dieser Star, konnten nicht mehr zu den Nistplätzen. Die Bruthöhlen waren verschlossen. Fotos: NABU Leipzig
Einsatz von NABU und Feuerwehr zur Öffnung der verschlossenen Nisthöhlen und Rettung der eingeschlossenen Tiere.
Einsatz von NABU und Feuerwehr zur Öffnung der verschlossenen Nisthöhlen und Rettung der eingeschlossenen Tiere.

Leider setzt sich in Leipzig die traurige Serie von Tiermorden bei Bauarbeiten fort. Immer wieder bekommt der NABU beispielsweise Informationen über Nistplätze, die bei Bauarbeiten einfach zerstört werden. Dabei werden Einfluglöcher verschlossen, obwohl die Jungvögel oder auch die brütenden Vögel sich noch darin befinden. Die Tiere werden lebendig eingemauert und sterben qualvoll.


In vielen solchen Fällen handelt es sich vermutlich um Ignoranz. Es werden Tierschutzgesetze, Bauvorschriften und Mitmenschlichkeit einfach über Bord geworfen. Es kann tatsächlich sein, dass die Verantwortlichen die Nistplätze übersehen und aus Unkenntnis handeln, dennoch ist es rechtswidrig. Aus diesem Grund fordert der NABU Leipzig, das grundsätzlich vor Bau- und Sanierungsarbeiten ein artenschutzfachliches Gutachten erstellt werden muss. Es ist unbegreiflich, warum das nicht von Behörden angeordnet wird, da nach den Erfahrungen des NABU Leipzig nahezu bei jeder Bautätigkeit geschützte Tierarten zu Schaden kommen – das ist nach Auffassung des NABU ein andauernder Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz.


Besonders schwerwiegend sind jedoch Fälle, in denen die Verantwortlichen mit brutalem Vorsatz handeln. Nach Ansicht des NABU Leipzig handelt es sich in solchen Fällen um Straftaten. Immer wieder muss der Naturschutzbund in solchen Fällen die Staatsanwaltschaft einschalten, mehrfach musste auch bereits die Feuerwehr ausrücken, um wenigstens einen Teil der herzlos eingemauerten Tiere zu befreien. Der jüngste, besonders gravierende Fall, ereignete sich in Grünau. Pressemitteilung

 

Vogelmord in der Hausfassade

Bis in die Abendstunden dauerte der Einsatz von NABU und Feuerwehr, um alle verschlossenen Höhlen zu öffnen, zu kontrollieren und betroffene Tiere zu bergen.
Bis in die Abendstunden dauerte der Einsatz von NABU und Feuerwehr, um alle verschlossenen Höhlen zu öffnen, zu kontrollieren und betroffene Tiere zu bergen.

Anwohner hatten die zuständige Wohnungsgenossenschaft und die Arbeiter vor Ort ausdrücklich auf die Vogelbruten hingewiesen, dennoch wurden die Arbeiten an der Fassade fortgesetzt, um die Nistplätze zu beseitigen. Insofern haben die Verantwortlichen vorsätzlich gegen Tier- und Naturschutzrecht verstoßen. Der NABU wurde daraufhin durch eine Anwohnerin über den Verschluss von Nisthöhlen informiert. NABU-Mitstreiter haben die Situation vor Ort erkundet. Sie konnten beobachten, wie ein Star und ein Haussperling immer wieder verzweifelt versuchten, in die verschlossenen Nistplätze zu kommen. Eine Anwohnerin berichtet, dass die Vögel bis zum Vormittag noch Futter zu ihren Nestern gebracht haben, auch Kotspuren belegen die rege Benutzung der Brutplätze. Die zuständige Wohnungsgenossenschaft wird kontaktiert, der Hausmeisterservice erklärt, dass ein schnelles Eingreifen nicht möglich sei, obwohl die Vogelexperten des NABU erläutern, dass Gefahr im Verzug sei und das Gesetz ein sofortiges Einschreiten verlangt. Aufgrund dessen wird die Polizei über die Straftaten informiert. Die Polizeibehörde trifft vor Ort ein und nimmt Zeugenaussagen auf. Die Feuerwehr wird informiert und rückt mit einem Löschwagen und einer Hubbühne an. Mit dieser fährt ein Feuerwehrmann zusammen mit einem Vogelschutzexperten des NABU Leipzig zu den Nistplätzen. Acht verschlossene Löcher werden entdeckt und nacheinander geöffnet. Es stellte sich heraus, dass die Löcher mit Leitungsdämmpolstern und einer klebrigen Substanz verschlossen waren, die den betroffenen Vögeln zusätzlichen Schaden zufügt – eventuell war diese Wirkung der Klebepaste sogar beabsichtigt, ihr Einsatz ist jedoch rechtswidrig, und der NABU fordert dringend dazu auf, bei Fassadenarbeiten keine klebrigen Stoffe einzusetzen.

 

Die verschlossenen Höhlen wurden geöffnet, anschließend versuchte der Vogelschutzexperte des NABU Leipzig die klebrigen Substanzen und Dämmaterialien zu entfernen.

 

Vögel lebendig eingemauert

Vier der verschlossenen Höhlen waren leer, in einer befand sich ein neugebautes Nest. In einer weiteren Höhle befand sich das Gelege eines Stars, der nun weiterbrüten kann. In einer weiteren Höhle finden die Helfer einen lebenden Star, der dort eingemauert wurde, er verlässt die Höhle; drei Jungvögel in seinem Nest sind bereits tot, ein viertes Küken verstirbt kurz danach. In einer weiteren Höhle war ein brütender Haussperling eingemauert und konnte ebenfalls durch das Eingreifen befreit werden, drei Eier befinden sich in dem Gelege.

Zudem konnten die NABU-Experten einen gesetzlich streng geschützten Grünspecht beobachten. Er versuchte die verkleisterten Fassadenlöcher mit seinem Schnabel wieder zu öffnen, wodurch sich der Schnabel verklebte.
Der NABU-Vogelschutzexperte versuchte die Löcher nicht nur zu öffnen, sondern auch den Kleber weitgehend zu entfernen oder mit Papier abzudecken, damit sich die Vögel nicht das Gefieder oder andere Körperteile verkleben.

 

Es erwies sich als mühsam, die klebrige Substanz zu entfernen, mit der die Nistplätze verschlossen wurden. Klebrige Reste wurden vom NABU mit Papier abgedeckt, um die gefährliche Wirkung zu entschärfen. An dem Kleber könnten sich Vögel das Gefieder und andere Körperteile verkleben und dadurch qualvoll zu Tode kommen. Der Einsatz klebriger Substanzen zur Vogelabwehr ist gesetzeswidrig!

 

Strafanzeige gegen Tierquäler

Für diese vier Vogelküken kam die Hilfe leider zu spät.
Für diese vier Vogelküken kam die Hilfe leider zu spät.

Der NABU hat bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gestellt wegen der absichtlichen Tötung besonders geschützter Tierarten in vier Fällen, der versuchten Tötung in zwei Fällen durch Verschließen von Nistplätzen (lebendiges Einmauern), der Beschädigung von Entwicklungsformen (Eier) geschützter Tierarten in zehn Fällen, der Zerstörung von besonders geschützten Fortpflanzungsstätten in vier Fällen. Bei diesen Taten handelt es sich um Verstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz. Aber auch Verstöße gegen das Tierschutzgesetz liegen vor. Der NABU stellte dementsprechend eine weitere Strafanzeige. In sechs Fällen wurden Brutvögeln und ihren Nachkommen ohne triftigen Grund Leid und Schmerzen zugefügt, in einem Fall wurde zudem einem Grünspecht unnötiges Leid durch Verkleben seines Schnabels zugefügt.

Das Verschließen der Nistplätze erfolgte vermutlich in der klaren Absicht, die gesetzlich geschützten Brutvögel zu vertreiben oder zu töten. Die Arbeiten hätten problemlos außerhalb der Brutzeit und mithilfe von Fachleuten für Artenschutz unter Beachtung der Gesetze durchgeführt werden können.

Der NABU Leipzig bedankt sich bei Polizei, Feuerwehr und Polizeibehörde für die Zusammenarbeit in diesem Notfall! Der NABU fordert alle Bauherren und Genehmigungsbehörden auf, die Gesetze zum Tier- und Naturschutz einzuhalten und zudem sensibel vorzugehen, um Leib und Leben unserer tierischen Mitbürger zu schützen. Zudem sollten Hinweise von Bürgern ernst genommen werden. Singvögel sind keine Schädlinge, sondern nach EU-Gesetzen geschützte Tierarten! Ihr Schutz und schnelles Eingreifen bei Gesetzesverstößen sind dringend geboten! Zudem verweist der NABU Leipzig erneut auf seine Petition „Bauen und Natur erhalten“: Natur- und Artenschutz muss grundsätzlich bei allen Bauarbeiten und Planungen von Anfang an berücksichtigt werden! Petition


MEDIENECHO

 

Nach der Vogelrettung in Grünau und der umfangreichen Medienberichterstattung hat sich in der Leipziger Volkszeitung die verantwortliche Wohnungsgenossenschaft geäußert. mehr

 

Der NABU Leipzig freut sich über das breite Medienecho in der Hoffnung, dass Bauherren aufgerüttelt werden und den Artenschutz bei Baumaßnahmen beachten. Wir weisen darauf hin, dass für den Inhalt der Medienpublikationen ausschließlich die jeweiligen Redaktionen verantwortlich sind. Unsere eigenen Informationen zum Tathergang kann man der Pressemitteilung entnehmen.

 


Der nächste „Einzelfall“

Neuer Mordanschlag auf Haussperlinge

Erst vor wenigen Tagen musste der NABU Leipzig mit Hilfe der Feuerwehr lebendig eingemauerte Vögel in Grünau befreien, nun wurde die Wildvogelhilfe wieder alarmiert: In Plagwitz war ein Haussperling-Nistplatz verschlossen worden. Die Vogeleltern kamen nicht mehr zum Nachwuchs. Die Küken drohen in einem solchen Fall qualvoll zu verhungern, oder sie sterben an Unterkühlung.

 

Aufmerksame Nachbarn haben beobachtet, wie die Vogeleltern verzweifelt versuchen, ins Nest zu kommen, und sie haben den NABU benachrichtigt. Am Pfingstwochenende waren die  Verantwortlichen der Hausverwaltung nicht erreichbar, das Leben der Tiere aber akut bedroht. Glücklicherweise war die Bewohnerin der Dachgeschosswohnung zuhause und gewährte dem Vogelschutzexperten des NABU Leipzig Zugang. Aus der mit Holz verschlossenen Nisthöhle waren deutlich die Bettelrufe der Jungvögel von außen zu hören. Mit einer Endoskopkamera war das Nest in der Höhle zu erkennen. Der Holzverschluss wurde daraufhin entfernt, danach konnten die Altvögel wieder ins Nest fliegen.

 

Der Vogelnistplatz unter dem Dach wurde mit einem Holzkeil verschlossen. Die Vogeleltern konnten die eingesperrten Jungvögel nicht mehr versorgen. 

 

Nachdem der NABU-Vogelschutzexperte das Holz entfernt hatte, konnten die Haussperlinge wieder ins Nest, um ihre Jungen zu versorgen. Fotos: NABU Leipzig 

 

Erneut hat hier jemand mitten in der Vogelbrutzeit ohne Rücksicht auf die Tiere einen Nistplatz verschlossen, offenbar in der klaren Absicht, die Spatzenbrut zu beseitigen. Es handelt sich dabei um die illegale Zerstörung einer gesetzlich geschützten Lebensstätte (§44 Bundesnaturschutzgesetz). Auch dieser Fall wurde bei der Staatsanwaltschaft als Straftat angezeigt. Man muss davon ausgehen, dass derartige Tiermorde alltäglich sind und vielfach unbemerkt passieren.

 

Der NABU Leipzig bedankt sich bei den aufmerksamen Anwohnern und bittet alle Bürger, bekannte Vogelnistplätze aufmerksam zu beobachten, damit sie vor Zerstörung bewahrt werden können. Gebäudebesitzer werden dringend aufgefordert, sich an die Gesetze zu halten! Zur Brutzeit sollten alle Fassadenarbeiten und Gehözschnitt unterbleiben!  


Wohnungsnot durch Bauboom

Bei Gebäudesanierungen werden Nistplätze zerstört, leider in vielen Fällen ohne dass der gesetzliche Artenschutz beachtet wird. Ausgleich wird nicht geschaffen, vielfach werden sogar Tiere geschützter Arten getötet oder verletzt. Der NABU fordert alle Bauherren und Gebäudebesitzer auf, die artenschutzrechtlichen Bestimmungen einzuhalten und frühzeitig in die Planungen einzubeziehen. Artenschutzexperten des NABU bieten dafür ihre Beratung an. mehr



Vogeltod durch Klebepaste

Um Vögel von Gebäuden fernzuhalten wird in letzter Zeit immer öfter eine silikonartige Vogelabwehrpaste eingesetzt. Sie wird von den Herstellern als harmlos angepriesen, ist jedoch in der Praxis eine Klebefalle und damit rechtswidrig. Für Vögel und auch für andere geschützte Tierarten wie Insekten oder Fledermäuse ist der Kontakt mit der Paste lebensgefährlich; leider gibt es bereits Todesopfer. mehr



Leipzig schrumpft

Während Leipzig für die Menschen wächst, schrumpft die Stadt für die Tier- und Pflanzenwelt. Lebensräume gehen tagtäglich verloren, oftmals ohne jeden Ausgleich, obwohl er gesetzlich vorgeschrieben ist. Damit verliert Leipzig auch mehr und mehr Lebensqualität. Außerdem haben die Ökosysteme wichtige Funktionen, zum Beispiel für das Stadtklima. mehr