Jedes Jahr und in den meisten Fällen leider unbemerkt spielen sich dieselben Dramen ab: Bei Bauarbeiten in der Brutzeit werden Vögel lebendig eingemauert. Das ist nicht nur vollständig herzlos, sondern auch ein Verstoß gegen das Bundesnaturschutz- und gegen das Tierschutzgesetz – bei Vorsatz handelt es sich um eine Straftat, dennoch passiert es immer und immer wieder. Mütter, die auf ihren Eiern brüten, sterben grausam, eingemauerte Jungvögel verlieren qualvoll ihr Leben. Der NABU Leipzig war jetzt bei einem weiteren „Einzelfall“ im Einsatz. Die traurige Bilanz: 8 Stare wurden vor Verhungern und Ersticken gerettet, 1 Star ist gestorben, aus 6 Eiern werden keine Jungvögel mehr schlüpfen.
Dankenswerterweise kamen auch in diesem Fall Hinweise aus der aufmerksamen Nachbarschaft. An der Mainzer Straße wurden Vögel beobachtet, die immer wieder gegen eine Fassade flogen, an der ein Gerüst errichtet worden war. Dieses Verhalten deutete schon an, dass dort Vögel eingeschlossen waren. Ehrenamtliche Vogelschützer des NABU Leipzig begutachteten die Lage vor Ort und mussten feststellen, dass die Tiere dringend Hilfe brauchen. Mehrere Nistplätze waren mit Bauschaum verschlossen. Altvögel kamen immer wieder an diese Stellen und versuchten verzweifelt, die klebrige Masse aus dem Höhleneingang zu entfernen. Hinter dem Bauschaum befanden sich die Nistplätze der Tiere.
Weil hier Gefahr im Verzug war, kletterten die Vogelschützer auf das Baugerüst. Die genaue Lage der Nester wurde mit einer Endoskop-Kamera festgestellt, dann wurde die Fassade so weit geöffnet, dass die Nester und Vögel mit der Hand erreichbar waren. In drei von fünf verschlossenen Bruthöhlen gab es Brutgeschehen. Aus einer Höhle konnten 4 lebende Staren-Jungvögel befreit werden, sie werden nun durch die ehrenamtlich arbeitende Wildvogelhilfe des NABU Leipzig bis zur Auswilderung versorgt. Der NABU Leipzig bittet dafür um Spenden (Stichwort: „Wildvogelhilfe“). In einer weiteren Höhle wurde ein Gelege mit einem Ei und einem Altvogel angetroffen. Die Bauschaumreste an seinem Kopf zeugten von seinem leider vergeblichen Überlebenskampf, sowohl Gelege als auch Vogel waren mit Verschluss der Höhle zum Tode verurteilt. In einer weiteren Höhle konnte ein Starengelege bestehend aus 5 Eiern festgestellt werden. Das Gelege war kalt; durch Verschluss der Bruthöhle konnte das Nest nicht mehr vom Elternvogel bebrütet werden, sodass hier weiteres Leben genommen wurde. Inzwischen ist bekannt, dass die Bruthöhlen bereits zwei Tage vor dem Rettungseinsatz verschlossen wurden. In einem offengelegten Dachbereich an dem Gebäude wurden vier weitere unversorgte Starenküken geborgen. Der Anblick der misshandelten und getöteten Tiere ist eine enorme seelische Belastung für die Tierretter des NABU. Verstärkt wird das Gefühl dadurch, dass es immer und immer wieder solche Vorfälle gibt und kein staatliches Handeln erkennbar ist, um diesen Missstand zu beenden, obwohl hier regelmäßig gegen Gesetze verstoßen wird.
Gefährdet sind auch die Eltern, die versuchen, die mit Bauschaum verschlossenen Höhlen von außen zu öffnen, denn sie können sich Schnäbel und Gefieder verkleben und dann ebenfalls qualvoll
sterben.
Bereits am Tag zuvor war der NABU Leipzig an drei Gebäuden im Sprikkenwinkel im Einsatz, dort waren die Nisthöhlen von zwei Starenbruten und eine Haussperlingsbrut verschlossen, in denen noch
Vögel brüteten. Es gelang den NABU-Mitgliedern die Baufirma zu bewegen, die Brutplätze sofort zu öffnen.
Es ist unverständlich, wie es passieren kann, dass solche Nisthöhlen versehentlich verschlossen werden, denn permanent fliegen Altvögel ein und aus. Daher muss man annehmen, dass die Höhlen nicht
fahrlässig verschlossen werden, sondern in dem Wissen, dass es sich um gesetzlich geschützte Nistplätze handelt. Das Bundesnaturschutzgesetz § 44 regelt die Vorschriften für den Umgang mit
besonders geschützten Tier- und Pflanzenarten. Alle europäischen Wildvogelarten sind besonders geschützt, einige sogar streng. So ist es verboten, ihnen nachzustellen, sie zu fangen, zu
verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Sie dürfen während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und
Wanderungszeiten nicht gestört werden, die Fortpflanzungs- und Ruhestätten dürfen nicht zerstört werden.
Die wiederkehrenden Verstöße gegen dieses Gesetz sind ein Skandal! Jahr für Jahr macht der NABU Leipzig darauf aufmerksam, doch die Durchsetzung des Gesetzes bleibt weiterhin aus. Es wird der
Eigenverantwortung der Bauherren überlassen, Brutplätze den Behörden zu melden und sie zu schützen. Erschwerend kommt hinzu, dass Laien Brutgeschehen nicht zuverlässig feststellen können. Selbst
wenn der Bauherr also Löcher prüft, ist wahrscheinlich, dass geschützte Lebensstätten übersehen werden. Daher fordert der NABU Leipzig, dass vor Bauarbeiten immer der Artenschutz professionell im
Rahmen einer Begutachtung geprüft werden muss. Denn das Bundesnaturschutzgesetz gilt für alle Lebensstätten, der Artenschutz am
Bau muss immer beachtet werden, unabhängig davon, welche anderen Genehmigungen vorliegen oder nötig sind. Die Naturschutzbehörden wäre dafür nach Auffassung des NABU zuständig, kann sich aber
angesichts des Baubooms nur um einen winzigen Bruchteil der Fälle kümmern. In der Praxis werden Fassadenlöcher ohne ökologische Baubegleitung verschlossen, Rücksicht auf die dort lebenden
Geschöpfe wird nicht genommen. Der NABU Leipzig kämpft permanent gegen dieses gedankenlose und rechtswidrige Vorgehen. Die Tatvorwürfe werden vom NABU bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.
Der NABU Leipzig fordert alle Bauherren und Gebäudebesitzer auf, bei Sanierungs- und Abrissvorhaben die artenschutzrechtlichen Bestimmungen einzuhalten und frühzeitig(!) in die Planungen
einzubeziehen. Zur Information darüber hat der NABU Leipzig eine „Checkliste“ verfasst, die zum Download zur Verfügung steht. Weiterlesen
WEITERE INFORMATIONEN
Die energetische Modernisierung von Gebäuden ist ein wichtiger Beitrag für eine naturverträgliche Energiewende. Sie bietet große Chancen aber gleichermaßen Gefahren für viele an Gebäuden lebende Vogel- und Fledermausarten. Um Klima- und Artenschutz am Gebäude erfolgreich voranzubringen, muss man beides gemeinsam planen. mehr
Bei Gebäudesanierungen werden Nistplätze zerstört, der gesetzliche Artenschutz wird aus Unkenntnis oder vorsätzlich missachtet. Das führt zum Verlust von Nistplätzen, in manchen Fällen auch zum Tod von Tieren. Auf Leipziger Baustellen! Der NABU fordert Einhaltung der Artenschutzgesetze! mehr
Wie man mit geringem Aufwand Vogelnistplätze und Fledermausquartiere in Gebäudeneubauten integrieren kann, zeigt die kleine Broschüre. Sie basiert auf einer Bachelorarbeit an der HTWK. mehr