Wegen der Corona-Pandemie sind die Menschen zuhause, die Straßen sind ruhiger. Die Natur erobert sich die Stadt zurück, wird teilweise berichtet. In Wahrheit ist die Natur schon da, aber wir haben jetzt andere Gelegenheiten, sie auch zu beobachten, zum Beispiel, weil man jetzt zu Fuß unterwegs ist, anstatt mit der Straßenbahn. Die Menschen entdecken den Wert und die Vielfalt der Stadtnatur. Hoffentlich ist das ein Anlass, sie auch nach Corona besser zu schützen.
Eine Straßenbahnhaltestelle ist direkt vor meiner Wohnung und ich habe eine Jahreskarte. Deshalb bin ich zur NABU-Naturschutzstation in Gohlis immer mit der Straßenbahn gefahren. Aber in Corona-Zeiten ändern sich die Gewohnheiten, man muss Abstand halten und lieber an der frischen Luft sein als in einer Straßenbahn. Warum also nicht das Schöne mit dem Nützlichen verbinden? Ich gehe den Weg nun zu Fuß, die Kamera hängt immer um meinen Hals.
Bekanntschaften am Wegesrand: Ringeltaube, Girlitz und Grünspecht.
Der Weg führt am Friedhof Gohlis vorbei, die Vögel dort kenne ich inzwischen schon fast perönlich: Ringeltauben und Girlitze sitzen an der Franz-Mehring-Straße und ich freue mich, wenn ich
Grünspecht und Eichelhäher beobachten kann. Friedhöfe sind in der Stadt wichtige Lebensräume für die Tierwelt, die Vogelvielfalt weist darauf hin. Manchmal sehe ich auch Dinge, mit denen man nicht rechnen würde.
Einen Sperber mit einer geschlagenen Amsel in den Fängen zum Beispiel, der mit seiner schweren Beute Probleme hat,
über die Friedhofsmauer zu fliegen.
Eine noch größere Überraschung wartete allerdings vor der NABU-Naturschutzstation: Da saß in aller Seelenruhe ein Habicht auf einem Baum und rupfte eine Taube. Dank Zoom kann ich diese Szene aus
angemessener Entfernung fotografieren, denn ich will den Greifvogel auf keinen Fall stören, und deshalb muss man sich auch irgendwann losreißen und zurückziehen. Sonst könnte sich der Habicht
gestört fühlen und seine wertvolle Beute aufgeben. Dann bliebe er hungrig und die Taube wäre umsonst gestorben.
Die Stadtnatur hat so viel Schönes zu bieten, und solche Szenen zeigen, wie wichtig es ist, sie zu schützen. Wie viele Hecken und Bäume werden tagtäglich achtlos gerodet? Damit geht unseren
tierischen Mitbürgern leider der Lebensraum mehr und mehr verloren. Die Artenvielfalt kann man an vielen Stellen entdecken, aber
oft fallen sie wenig später einem Bauprojekt zum Opfer. Es lohnt sich, für den Erhalt der Natur einzutreten. Und ein Entschluss steht
schon fest: Auch nach Corona wird der Weg zur NABU-Naturschutzstation und zurück für mich wohl ein Fußweg bleiben.
Bericht und Fotos: Beatrice Jeschke
Direkt vor der NABU-Naturschutzstation in Gohlis rupfte der Habicht die erbeutete Taube.