Problemfall Elster

 

Jedes Jahr zur Brutzeit der Gartenvögel erreichen uns zahlreiche Aufforderungen endlich etwas zu unternehmen, um die räuberischen Elstern zu reduzieren. Im Folgenden ist dazu unsere Position:

Den Elstern fallen tatsächlich bis etwa 10 % einiger Arten von Singvögeln zum Opfer, vor allem Amselnester werden gern geplündert. Daneben räumen auch andere Vögel und vor allem Eichhörnchen und Marder Nester aus. Auch die Elstern selbst sind Opfer. Vor allem Krähen und größere Raubvögel plündern gern Elsternester und regulieren damit den Bestand. Die meisten jungen Singvögel fallen übrigens freilaufenden Katzen zum Opfer. In einigen Gärten bis zu 60 %. Vor allem Bodenbrüter wie Zaunkönig und Rotkehlchen sterben häufig durch Katzen. Doch bisher hat das nicht dazu geführt, dass der Bestand darunter ernsthaft leidet. Eine Amsel wird z. B. 18 bis 20 Jahre alt und bekommt in dieser Zeit ca. 200 Junge. Für den Erhalt des Bestandes werden aber nur zwei gebraucht. Wird der Bestand größer als Nahrung und Reviere vorhanden sind, brechen Seuchen aus, die den Bestand drastischer reduzieren als alle Nesträuber zusammen.

Eine Reduzierung der Elstern würde hier nicht helfen. Davon abgesehen stand die Elster bis in die 60er Jahre durch harte Verfolgung und Zerstörung ihrer ursprünglichen Lebensräume, Feldgehölze, selbst kurz vor dem Aussterben. Seitdem steht sie unter Schutz. Erst als es den Elstern gelungen ist, in den Städten Fuß zu fassen, haben sich die Bestände erholt und werden vor allem dort zur Plage, wo große Bäume fehlen, auf denen Rabenkrähen und größere Raubvögel nisten können, die selbst Elstern jagen.

Eine Reduzierung der Elsterbestände in der Stadt wäre schwierig. Zunächst müsste eine Ausnahmegenehmigung vom Schutzstatus erwirkt werden. Aber wie dann weiter? Mit Abschuss ist wenig zu machen. Elstern gehören zu den intelligentesten Tieren überhaupt und fliehen rechtzeitig, wenn sich Jägern nähern. An vielen Stellen in der Stadt kann man gar nicht schießen, ohne Menschen zu gefährden. Halbwegs erfolgreich wäre vor allem das Ausschießen bebrüteter Nester. Das aber ist mit gutem Grund streng verboten, da in Elsternestern nicht selten streng geschützte Arten wie Waldohreulen oder der Rote Milan brüten. Elstern bauen sehr stabile Nester, die von anderen Vögeln sehr gern genutzt werden. Damit tragen Elstern sogar zur Ausbreitung solcher Vögel bei, einige wie die Waldohreule sind sogar auf die Elsternester angewiesen, um selbst zu nisten. Auch mit Gift ist den Elstern nicht beizukommen ohne automatisch viele andere, zum Teil stark bedrohte Vögel und Säugetiere mit zu vergiften. In Bayern und einigen Ländern ist eine Bekämpfung der Krähenvögel versucht worden, ohne nachhaltigen Erfolg.

Wir setzen daher auf natürliche Abwehr:

Wichtig ist, dass die Singvögel genug Futter vorfinden. In vielen Leipziger Kleingärten verhungern z. B. bis zu 50 % der Nestlinge, weil sie in den sorgfältig gepflegten Gärten zu wenig Insekten finden, um ihre Jungen ausreichend mit Eiweiß zu versorgen. Englischer Rasen und Thujahecken sind ökologisch tot. Kommen dann noch Gifte dazu um z. B. selbst Blattläuse zu bekämpfen, finden selbst Spatzen nichts mehr für ihre Jungen. Hilfreich sind auch Nistkästen und andere Nisthilfen, allerdings nur, wenn es in der Umgebung genügend Nahrung gibt. Amseln und andere Gebüschbrüter brauchen vor allem dornige Sträucher, in die kann kein Räuber eindringen. Selbst die leider allgegenwärtigen Thujahecken lassen sich leicht in sichere Brutplätze verwandeln, z. B. indem man stachlige Brombeerranken durchwachsen lässt. Katzen können mit Glöckchen oder elektronischen Piepsern ausgerüstet werden, um Jungvögel zu warnen.

Wichtig sind auch ausreichend große Bäume und zwar nicht nur von Koniferen, wir brauchen auch größere Laubbäume, um den Feinden der Elstern Lebensraum zu geben. Wir liegen daher im Dauerstreit mit dem Kleingartenverband, der viele Kleingärtner zwingt „Waldbäume“ zu fällen und damit u. a. den Elstern paradiesische Zustände schaffen hilft. Die kommen notfalls auch mit kleineren Bäumen oder hohen Sträuchern zurecht, die von ihren Verfolgern nicht angenommen werden. Die Stadt als Eigentümer der meisten Kleingartenparzellen hat uns gegenüber erklärt, dass sie grundsätzlich bereit wäre, den Kleingärtnern die Privilegien des Kleingartengesetzes (niedrige Pacht und Umwandlungsverbot) auch dann zu gewähren wenn Kleingärtner im Interesse des Naturschutzes von der Kleingartendefinition des Gesetzes abweichen. Nach unseren Erfahrungen haben aber die meisten Kleingartenvorstände offenbar kein Interesse daran, die Stadtverwaltung beim Wort zu nehmen und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen.
Der Bestand von Singvögeln hängt vor allem von ausreichend Nahrung, Brutplätzen und ökologisch intakten Lebensräumen ab, in denen sich Vogeljäger wie Elstern oder auch Eichhörnchen nicht einseitig breit machen können. Stimmen diese drei Bedingungen können die Vögel Verluste durch Räuber mindestens soweit kompensieren, dass ihr Bestand erhalten bleibt. Die anpassungsfähigen Amseln z. B. sind trotz starker Verfolgung durch Elstern und andere Räuber in Leipzig sehr häufig und im Bestand stabil, während z. B. Zaunkönige und Rotkehlchen sehr unter Räubern leiden, weil sie es schwer haben ideale Brutplätze zu finden und in vielen Gärten auch das Futter knapp ist.

 

Dr. Leonhard Kasek