Warum in Leipzig Fische elendig verrecken müssen


Wir berichteten Anfang September von einem Massensterben von Fischen in der Neuen Luppe. Hunderte von Kadavern trieben mit aufgeblähtem Bauch nach oben flussabwärts. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war mangelnder Sauerstoffgehalt im Wasser die Ursache dafür. Was dies für einen Fisch bedeutet, minuten- oder stundenlang um Sauerstoff zu ringen, also am Ende sogar Luft durch die Kiemen zu pressen, kann man sich als Mensch gar nicht vorstellen. Es ist ein langsamer und qualvoller Tod. Würde es sich hierbei um Menschen handeln, dann gäbe es einen internationalen Aufschrei. Doch Fische können nicht schreien.

Umso bedrückender ist es, von den Anglern bestätigt zu bekommen, dass dies nicht die Ausnahme ist, sondern regelmäßig mehrmals im Jahr passiert. Beim Fischsterben im Auensee gab es einen lauten öffentlichen Aufschrei in der Presse, den die Fische dort schwammen nicht weg und stanken zum Himmel. Doch hier spült ja der Fluss alles weg - aus den Augen, aus dem Sinn. Aber nicht so beim NABU-Regionalverband. Wir haben uns auf Ursachensuche begeben.




Und wir wurden schnell fündig. An seinem Ende teilt sich das Elsterbecken in drei Flussarme, die Weiße Elster, die Neue Luppe und die Nahle. Wie auf dem Bild ersichtlich, ist das Luppewehr geschlossen. Lediglich über einen kleinen Durchlass am hinteren Türmchen und über die Fischtreppe gelangt ein Bruchteil des sonst üblichen Wassers in die Neue Luppe.

Das meiste Wasser gelangt deshalb aus dem Klärwerk Rosental in die Neue Luppe. Der sonst übliche Verdünnungseffekt durch das zwar auch vorbelastete, aber wahrscheinlich besser belüftete Wasser aus dem Elsterbecken beleibt aus.

Doch das Wasser aus dem Klärwerk hat es in sich. Dabei wird die dunklere grünbräunliche Färbung des Wassers, welches hier den Abwasserkanal des Klärwerkes passiert, durch Huminsäuren verursacht. Für das menschliche Auge auf den ersten Blick völlig unsichtbar sind hingegen die im Wasser gelösten Nährstoffe. Wie wir zum Tag der offenen Tür erfahren konnten, besitzt das Klärwerk derzeit eine Stickstoffeffizienz von 85 %. Das heißt 15 % des Stickstoffs der Fäkalien aller Leipziger Haushalte landen als Düngerlösung in der Neuen Luppe.




Und hier kommen sie voll zur Wirkung. Doch in der Neuen Luppe fehlt es wegen der ohnehin schlechten Wasserqualität an Wasserpflanzen, die die Nährstoffe aufnehmen könnten und bei ihrer Verarbeitung durch die Photosynthese gleich noch Sauerstoff produzieren würden. Stattdessen stürzen sich Bakterien ähnlich wie im Klärwerk auf die Nährstoffe und verbrauchen dabei den im Wasser gelösten Sauerstoff. Doch anders als im Klärwerk gibt es nun im Fluss keine Belüftungsanlagen, die den verbrauchten Sauerstoff wieder auffüllen. Und wenn der Sauerstoffgehalt im Wasser sinkt, dann fehlt er den Fischen zum Atmen und sie kämpfen vergebens um ihr Leben. Die Fische müssen elendig verrecken!

Da dieses Fischsterben jedes Jahr immer wieder in den Leipziger Flüssen mehrmals auftritt, müssen sich die Verantwortlichen der Flussmeisterei und der Kommunalen Wasserwerke fragen lassen, warum sie nichts gegen diesen „Massenmord“ unternehmen.

Warum wird die Wasserzufuhr vom Elsterbecken in die Neue Luppe so stark reduziert? Wie hoch muss der Verdünnungseffekt für das Abwasser aus dem Klärwerk Rosental sein, damit kein Fischsterben auftritt?

Und wenn Daniel Jentzsch, Leiter des Klärwerkes Rosental, zum Tag der offenen Tür am 07.09.2008 erklärte, dass die Modernisierung des Klärwerkes und der Kanalnetzsteuerung jetzt bald abgeschlossen ist, so müssen wir als NABU hier laut und deutlich formulieren, dass das bisher erreichte noch lange nicht ausreicht.

Wir fordern eine viel höhere Stickstoffeffizienz der Klärung!
Das Abwasser muss das Klärwerk mit Badewasserqualität verlassen!
Es darf kein Fischsterben mehr wegen der Wasserqualität geben!


Fotos: NABU Leipzig
Fotos: NABU Leipzig


In diesem Zusammenhang stören uns auch erheblich die so genannten Regenüberläufe. Hier das Gewölbe im Hintergrund ist die Mündung eines solchen Kanals in die Kleine Luppe, nahe am Zusammenfluss mit der Nahle.
Immer wenn bei Regen das Kanalnetz überlastet wird, entlassen diese Regenüberläufe das Leipziger Abwasser, also Regenwasser gemischt mit Fäkalien ungeklärt in unsere Flüsse.

Und dementsprechend sieht es dann auch aus, wenn sich an Ästen dahinter Damenbinden und Toilettenpapier verfangen. Und dies, obwohl die Grobbestandteile angeblich mit Rechenwerken herausgefischt werden.
Auf der anderen Seite müssen sich die Leipziger auch fragen lassen, was Hygieneartikel, wie eben diese Damenbinden, im Klo zu suchen haben. Sie gehören ganz eindeutig in den Hausmüll. Im Interesse unserer Wasserqualität müssen wir dennoch von den KWL fordern:

Es muss genügend Retentionsraum geschaffen werden, damit kein Abwasser mehr ungeklärt in unsere Flüsse gelangt!


Karl Heyde, 22.09.2008