Der Stadtrat hat am 15.06.2022 einen Antrag „Glasklar für Vogelschutz“ beschlossen. Der NABU Leipzig begrüßt diesen Beschluss und hofft
auf eine konsequente und rasche Umsetzung. Der NABU bedauert allerdings, dass mit diesem Beschluss eine zeitnahe Lösung des Problems nicht erreicht werden kann.
Der Beschluss geht in die richtige Richtung, kann aber nur ein Baustein sein, um in der Stadt nicht nur Bauprojekte, sondern zugleich auch den Schutz der heimischen Natur und Tierwelt zu sichern.
Diese Aufgabe hat die Stadtverwaltung ebenso, es darf nicht nur um „unbürokratische“ Baugenehmigungen gehen. Gerade weil Bauen in Leipzig so begehrt ist, wären Konzepte für eine nachhaltige und
naturverträgliche Bauweise selbst über das gesetzliche Maß hinaus realisierbar. Pressemitteilung
Schilfrohrsänger, Wintergoldhähnchen und Waldschnepfe wurden nach Kollision mit Glasflächen in der Wildvogelhilfe des NABU Leipzig gepflegt. Fotos: NABU Leipzig
Weltweit ist ein gigantisches Artensterben zu beobachten, verursacht durch menschliche Rücksichtslosigkeit. Leider leistet auch Leipzig dazu immer wieder einen Beitrag. Die naturferne Gestaltung der Stadt führt zum Verlust von Lebensräumen, außerdem kommen immer wieder Tiere ums Leben, obwohl es vermeidbar wäre, wenn nachhaltige Stadtplanung und rücksichtsvolle Ressourcennutzung beachtet würden, aber in vielen Fällen ginge es schlichtweg einfach nur darum, Gesetze einzuhalten – Gesetze, die Tierleid und Naturzerstörung eigentlich verhindern sollen. So wie bei Bauarbeiten Denkmalschutz und Brandschutz zu beachten sind, muss auch der Artenschutz berücksichtigt werden, leider ist das oftmals nicht der Fall oder erst nach langem zähem Ringen von mitfühlenden Anwohnern oder engagierten Naturschützern, obwohl es eigentlich Aufgabe der Stadtverwaltung wäre.
Ein riesiges und leider in der „modernen“ Architektur vielfach ignoriertes Problem sind Glasflächen. In Deutschland sterben jährlich über 100 Millionen Vögel durch Kollision an Glasscheiben. Meist spiegelt sich die umliegende Vegetation in den Glasscheiben und die Vögel prallen auf dem Weg dorthin gegen das Glas. Bei der Wildvogelhilfe des NABU Leipzig sind Anflugtraumata die häufigste Fundursache verletzter Vögel. Von 2013 bis 2021 wurden 443 Vögel mit Anflugtrauma nach Kollision mit Glasflächen aufgenommen. Für viele weitere Vögel kommt jedoch jede Hilfe zu spät, sie versterben an den Folgen der Kollision noch am Unfallort.
In Leipzig ist es aktuell noch gängige Praxis, dass der NABU die angeflogenen Vögel an Glasscheiben dokumentieren muss, um zu beweisen, dass die Todesrate signifikant erhöht ist. Diese Nachweise
sind sehr zeitaufwändig, im Ehrenamt nicht zu bewältigen und außerdem eine seelische Belastung für die Vogelschützer. Deshalb hat der NABU Leipzig auf eine Entlastung durch die Stadtverwaltung
gehofft und hatte deshalb für eine entsprechende Stadtratsinitiative geworben.
Der nun tatsächlich gefasste Beschluss ist leider keineswegs der Beginn für konsequentes Handeln. Er beinhaltet nur einen Auftrag an den Oberbürgermeister. Dieser soll sich auf Landesebene dafür
einsetzen, den Prüfkatalog bei Erteilung von Baugenehmigungen zum Thema Vogelschlag zu erweitern. Damit geht das Sterben an Leipzigs Glasflächen vorerst unverändert weiter, dabei wäre es ein
Leichtes, vogelsicheres Glas zu verwenden bzw. eine solche Verwendung zu verlangen. Leider gibt es dafür offenbar keine verwaltungsrechtliche Möglichkeit, weshalb nun dieser kleinstmögliche
Beschluss gefasst wurde, wofür der Stadtrat rund anderthalb Jahre benötigte. Sehr bedenklich findet der NABU Leipzig, dass Oberbürgermeister Burkhard Jung in dieser Stadtratssitzung gegen den
Antrag gestimmt hat. Er soll nun einen Beschluss für mehr Vogelschutz umsetzten, den er selbst ablehnt. Was hat der Oberbürgermeister gegen Vögel?
Weil dieser junge Buntspecht nach einem Scheibenanflug mit einer Gehirnerschütterung immer wieder auf den Rücken kippt, muss er bei der stündlichen Fütterung beim Fressen festgehalten werden. Das geprellte Auge wird dreimal täglich mit Augentropfen versorgt. Die Wildvogelhilfe des NABU Leipzig lädt den Oberbürgermeister, der im Stadtrat gegen den Antrag „Vogelschutz an Glas“ gestimmt hat, ein, sich die aufwendige Pflege der verletzten Vögel anzuschauen. Video: NABU Leipzig
Abgesehen davon reicht der Beschluss des Stadtrates nicht aus, um das Artensterben oder wenigstens das Vogelsterben an Glas zu stoppen. Nur wenn der NABU aufwändige Nachweise erbringt und immer
wieder nachhakt, wird die zuständige Behörde aktiv. Gegenwärtig dauert es ein Jahr, bis die Stadtverwaltung eine funktionale Nachrüstung an Glasfassaden beauflagt, in dieser Zeit sterben die
Vögel unvermindert weiter. Ein gut dokumentiertes Beispiel ist ein Bauwerk in der Max-Liebermann-Straße.
Und die beauflagten Nachrüstungen sind für Bauherren um ein Vielfaches teurer als eine frühzeitige Berücksichtigung bereits auf Planungsebene. Deshalb fordert der NABU Leipzig einen 4-Punkte-Plan
gegen Vogelschlag, welcher kurzfristig umzusetzende Maßnahmen enthält:
Die Scheiben dieses Wartehäuschens haben NABU-Mitglieder zur Gefahrenabwehr vogelsicher beklebt. Das rettet Vogelleben und sieht ansprechend aus. Der Aufwand: Zwei Personen, eine Arbeitsstunde, 4,29 € für Paket-Klebeband. Das kann eine professionelle Lösung nicht dauerhaft ersetzen, zeigt aber, wie einfach und kostengünstig gehandelt werden könnte. Foto: NABU Leipzig
Beispielhaft hat der NABU Leipzig am 25.04.2022 die Haltestelle Martinshöhe mit Klebeband vogelsicher gestaltet, nachdem innerhalb kurzer Zeit 6 tote Vögel dort gefunden wurden. Leider wurde diese wirksame und preisgünstige Entschärfung der Vogelfalle nach kurzer Zeit wieder entfernt, sodass danach die nächste Blaumeise dort getötet wurde. Laut Einwohneranfrage „Gefahr für Vögel durch verglaste Wartehäuschen“ VII-EF-07258-AW-01 ist geplant, die durch den NABU Leipzig mit Vogelschlag dokumentierten Wartehäuschen nachzurüsten. Da die Totfunde durch Vogelschlag an Wartehäuschen ehrenamtlich festgestellte Zufallsfunde sind, ist ein Nachrüsten lediglich dieser Wartehäuschen bis zu einem unbekannten Zeitpunkt und anschließender Testzeit von zwei Jahren nicht ausreichend. Maßnahmen gegen
Vogelschlag sind hinreichend erprobt und dokumentiert, sodass eine „Testphase“ nicht zielführend ist. Der NABU Leipzig fordert Sofortmaßnahmen an Wartehäuschen, welche als Todesfallen für Vögel bekannt sind und eine zeitlich verbindliche Nachrüstung aller Wartehäuschen im Stadtgebiet.
Diese Glasbrücke wurde auf Initiative des NABU Leipzig mit einem Muster bedruckt. Warum werden nicht alle Glasflächen an städtischen Gebäuden vogelsicher gestaltet? Foto: NABU Leipzig