Eigentlich hat die Wildvogelhilfe des NABU im Stadtgebiet Leipzig schon mehr als genug zu tun, dennoch haben die ehrenamtlichen Vogelretter am 17. Dezember 2019 sogar in Brandenburg geholfen. Der ungewöhnliche Einsatzort war der Kaufpark Eiche in der Gemeinde Ahrensfelde. Von dort kam zwei Tage zuvor ein Hilferuf: Haussperlinge und Stadttauben würden hinter einer Zwischendecke aus Metallgittern eingeschlossen, wenn die Bauarbeiten nicht gestoppt werden. Mehrfache Bemühungen ehrenamtlicher Naturfreunde vor Ort und auch Anrufe aus Leipzig blieben nahezu ungehört. Auf wiederholte und ausführliche Hinweise zu Haussperlingen und Stadttauben, die ihre Nester anfliegen wurde zwar am Montag mit einer Begehung durch die Naturschutzbehörde reagiert, diese hat beim Vororttermin aber keine Nistplätze festgestellt und den Bau freigegeben.
Mit solchen Gitterplatten wurden die Nistplätze verschlossen und zum Teil die Tiere eingesperrt. Fotos: NABU Leipzig
Es wurde also im Laufe des Montags weiter vergittert, und damit wurden die Vögel, die man als nicht anwesend betrachtete, eingesperrt. Ehrenamtlich Aktive hatten Ausdauer bewiesen. Sie hatten die panischen Fluchtversuche der Vögel hinter den Gittern dokumentiert und auch ausführlich die Niststätten erfasst. Diese Informationen machten ein Eingreifen zur Rettung der Tiere erforderlich. Deshalb machte sich die Wildvogelhilfe auf den Weg nach Ahrensfelde. Vielen Dank an die privaten Helfer vor Ort, die sich für die Rettung der Spatzen eingesetzt haben!
Gegen 10 Uhr kam der NABU Leipzig an und hat gemeinsam mit den ortsansässigen Vogelfreunden die Lage begutachtet. Mit Fernglas, Endoskopkamera und starken Lichstrahlern konnten sie in jede Ecke schauen und haben allein mit der Lampe innerhalb von nur 30 Minuten Brutplätze an 29 Stahlträgern gezählt. Da beidseitig gebrütet wird, kommt man auf einen Nestbestand von 58 Nestern, die von der Naturschutzbehörde allesamt übersehen wurden!
Alle Nistplätze von Haussperlingen wurden von den Bauleuten und von der Naturschutzbehörde "übersehen". Zum Teil wurden die Vögel hinter den neu installierten Gitterplatten eingesperrt. Fotos: NABU Leipzig
Mit diesem Fund wurde nochmals die Naturschutzbehörde kontaktiert, welche bereit war, umgehend erneut zum Kaufpark zu kommen. In einem konstruktiven Gespräch konnte der NABU Leipzig beraten, wie die Tiere befreit und wie Ersatzniststätten geschaffen werden können. Das Centermanagement des Kaufparks kam der Forderung nach, an vier Stellen die Gitterplatten zu entfernen. Dadurch kann nun ungehindert der Zu- und Abflug zu den Nestern erfolgen, was der NABU auch kontrollieren konnte.
Der weitere Verschluss der Gitterdecke darf erst vorgenommen werden, wenn in Anzahl der festgestellten Nester Ersatzquartiere im räumlich funktionellen Umfeld angebaut wurden und durch Fachleute geprüft wird, dass sich keine Tiere mehr hinter den Gittern befinden.
Dass Baufirmen und Naturschutzbehörde die Lebensstätten nicht erkannten, kann passieren, dass man dem ehrenamtlich tätigen Naturschutz nicht glaubt, darf nicht passieren. Im Zweifel können immer Sachverständige hinzugezogen werden, die sich mit gebäudebewohnenden Tierarten auskennen. leider sind offenbar die Mitarbeiter in Gutachterbüros und Behörden oft nicht ausreichend mit dem Gebäudebrüterthema vertraut. Die ständigen Behauptungen, die Brutzeit bei Vögel sei nur im Frühjahr und Sommer und deshalb sind außerhalb dieser Zeit Nistplätze nicht geschützt, ist falsch. Haussperlinge sind standorttreu und bauen ganzjährig an ihren Nestern und bewohnen diese auch im Winter. Auch im Kaufpark Eiche konnte man beobachten, wie Nistmaterial in die Nester getragen wird, in denen sich Haussperlinge zum Ruhen und Schlafen verkriechen.
Die Zusammenarbeit von Fachleuten, Anwohnern, Naturschutzverbänden und Behörden ist notwendig, damit sich unbemerkter Tiermord nicht immer wiederholt. Dass diese Zusammenarbeit häufig verweigert wird, ist bedauerlich. Der NABU Leipzig bietet seine Beratung an und fordert alle Bauherren und Gebäudebesitzer auf, bei Sanierungs- und Reparaturarbeiten die artenschutzrechtlichen Bestimmungen einzuhalten und frühzeitig(!) in die Planungen einzubeziehen. Weitere Informationen
Dieser Einsatz ist nur ein weiteres Bespiel für den alltäglichen Verlust von Lebensstätten. In der alltäglichen Arbeit beobachtet der NABU Leipzig die Zerstörung von Stadtnatur. Deshalb sollte es bundesweit bei Bau- und Sanierungsarbeiten strengere Regeln geben, um den Artenschutz sicherzustellen. Fachlich qualifizierte Artenexperten müssen das Vorhandensein der Lebensstätten erfassen und bei Verlust Ersatz planen. Grundsätzlich sollte vor Bauarbeiten ein artenschutzfachliches Gutachten beauftragt werden, denn nach den Erfahrungen des NABU Leipzig sind bei nahezu jedem Bau geschützte Arten betroffen. Vielfach verlieren sie durch Bau- und Sanierungsmaßnahmen ihren Nist- oder Wohnplatz, oftmals auch Nahrungsflächen. Solche Gutachten müssen rechtzeitig erstellt werden, um alle jahreszeitlich unterschiedlichen Aktivitäten der betroffenen Arten erfassen zu können. Auch das wird leider häufig anders gehandhabt. Die Förderung energetischer Sanierungen oder sinnvoller Neubauten sollte den Artenschutz nicht vergessen. Es wäre nötig und sinnvoll, ihn in entsprechenden Förderprogrammen grundsätzlich mit zu berücksichtigen und den Artenschutz am Bau ebenfalls zu fördern. Es ist relativ einfach, durch künstliche Nisthilfen, die im Zuge der Bauarbeiten zudem besonders kostengünstig und dezent integriert werden können, verlorene Nistplätze zu ersetzen. Weitere Maßnahmen, die dem Artenschutz dienen, wie Fassadenbegrünung, Dachbegrünung, Strauchpflanzungen und Blühflächen würden zudem das Stadtklima verbessern und das Umfeld auch für die Menschen aufwerten.