Bauernhöfe unterstützen, Insektensterben stoppen und konsequenten Klimaschutz – das haben am 18. Januar 2020 bei der Großdemonstration in Berlin rund 27.000 Menschen gefordert. Unter dem Motto „Wir haben es satt!“ zogen sie wieder zum Auftakt der „Grünen Woche“ durch die Hauptstadt. Auch im 10. Jahr dieses Protestes waren NABU und NAJU Leipzig dabei – 25 Teilnehmer waren zusammen nach Berlin gereist.
Vor der Bühne am Brandenburger Tor sammelten sich NABU-Gruppen aus ganz Deutschland zum "Blauen Block". Fotos: René Sievert
Teinehmer aus Leipzig bei der Demo in Berlin. Fotos: Ludo Van den Bogaert
Der Bundesregierung kommt während ihrer EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) zu. Mit den rund 60 Milliarden an Fördergeldern pro Jahr sind zukunftsfähige Landwirtschaft und gutes Essen europaweit möglich. Leider haben das Agrarministerium und die Spitzen des Bauernverbands jahrelang gegen die Interessen einer naturverträglichen bäuerlichen Landwirtschaft gearbeitet.
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger sprach vor dem Start des Demonstrationszuges zu den Teilnehmern:
„Dürresommer, Artensterben: Die Zeit rennt uns davon. Wir brauchen jetzt eine zukunftsfähige EU-Agrarpolitik. Denn 2020 entscheidet sich, ob wir endlich faire Bedingungen für Landwirte und Natur schaffen."
Bei der Großdemonstration haben konventionelle und Öko-Bauern im Schulterschluss mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen gegen die fatalen Auswirkungen der intensiven industriellen Landwirtschaft protestiert. Gemeinsam zeigt das Bündnis zugleich Wege für eine bäuerliche Landwirtschaft auf, die auf breite Zustimmung in der Bevölkerung trifft und den Bauernhöfen wirtschaftliche Perspektiven bietet. Weitere Informationen
Saskia Richartz, Sprecherin des Bündnisses „Wir haben es satt!“ sagte:
„Wir haben die Alibi-Politik des Agrarministeriums gehörig satt! Die Bundesregierung trägt die Verantwortung für das Höfesterben und den Frust auf dem Land. Seit 2005, als Angela Merkel Kanzlerin wurde, mussten 130.000 Höfe schließen – im Schnitt gab ein Familienbetrieb pro Stunde auf. Wir fordern, dass die Bundesregierung 2020 bei der EU-Agrarreform Nägel mit Köpfen macht. Jetzt heißt es für Julia Klöckner: Ärmel hochkrempeln und die Agrarwende anpacken!“ Weitere Informationen
NABU und NAJU Leipzig hatten sich frühmorgens auf dem Leipziger Hauptbahnhof getroffen. Gemeinsam ging es dann in vollen Regionalzügen nach Berlin. Dort war es zwar recht kalt, aber sonnig, sodass bestes Demonstrationswetter herrschte. Die Demonstration sollte am Brandenburger Tor beginnen, dort versammelten sich auch alle NABU-Gruppen aus ganz Deutschland, um gemeinsam im „Blauen Block“ für eine naturverträgliche Landwirtschaft und für die ökologische Agrarwende zu demonstrieren. Angeführt wurde der NABU-Block vom „NABU-Kremser“ und einer Trommlergruppe des NABU.
Schon auf dem Weg zum Demostart konnten die Leipziger sich mit anderen NABU-Gruppen zusammentun und kamen beim Gehen ins Plaudern. Extraapplaus gab es für die Rede von NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Danach fuhren als erstes mehr als 150 Traktoren an der Bühne vorbei, um den Demonstrationszug anzuführen – eine bunte Karawane verschiedener Landwirte, die teilweise mit ihren Maschinen mehrere hundert Kilometer angereist waren. Dahinter setzte sich der lange Zug der Demonstranten in Bewegung und zog mehrere Stunden durch die Straßen.
Im Anschluss konnte man noch einige Infostände besuchen, weiteren Reden lauschen oder abschließend der Bühnenmusik. Für die Demoteilnehmer aus Leipzig ging es dann mit Regionalzügen wieder zurück nach Sachsen. „Es ist schön zu sehen, dass so viele Menschen dasselbe Anliegen haben“, freute sich eine Mitreisende. Wichtig wäre nun allerdings, dass die verantwortlichen Politiker endlich auf die Forderungen von Bürgern, Wissenschaftlern und Bauern eingehen – neue Agrarpolitik jetzt!
Teilnehmer aus Leipzig auf der Reise zur Demo nach Berlin. Fotos: Ludo Van den Bogaert
Die intensive Landwirtschaft in Europa verursacht massive Umweltschäden – vom Vogel- und Insektensterben bis hin zu klimaschädlichen Emissionen und Nitratbelastung im Grundwasser. Wie auf den Wiesen und Feldern gearbeitet wird, ist entscheidend für das Funktionieren der Ökosysteme, die Qualität des Grundwassers und das Klima. Mit der Gestaltung der Agrarpolitik hält die EU deshalb den wesentlichen Hebel zur Lösung der Arten- und Klimakrise in der Hand. Nötig ist eine naturverträgliche Landwirtschaft und ein Fördersystem, das mit den Steuergeldern solche Landwirte belohnt, die besondere Naturschutzleistungen erbringen. Die Agrarmilliarden, die derzeit pauschal und nach Flächengröße verteilt werden, müssen stattdessen in den Aufbau einer umweltverträglichen Landwirtschaft investiert werden, fordert der NABU:
SPACE FOR NATURE: Mehr Platz für Artenvielfalt
Wer Fördergelder aus der EU bekommen will, muss mindestens zehn Prozent der Betriebsfläche für die Artenvielfalt zur Verfügung stellen. Nur wenn auf allen landwirtschaftlichen Betrieben genügend Brachen, Hecken und Blühareale vorhanden sind, können sich Insekten, Vögel und die Artenvielfalt insgesamt wieder erholen.
MONEY FOR NATURE: Naturschutzleistungen belohnen
Im EU-Agrarhaushalt müssen mindestens 15 Milliarden Euro für besondere Naturschutzleistungen reserviert werden. Landwirt*innen, die hochwertige Maßnahmen für Natur und Artenvielfalt umsetzen, sollen dafür angemessen entlohnt werden.
CHANGE FOR NATURE: Umweltverträgliche Landwirtschaft aufbauen
In der kommenden Förderperiode müssen die ineffizienten pauschalen Flächenprämien schrittweise abgebaut werden. Die freiwerdenden Gelder sollen in den Umbau der Landwirtschaft hin zu einer klima- und naturverträglichen, umwelt- und tierfreundlichen Bewirtschaftung investiert werden und Landwirt*innen in diesem Umwandlungsprozess angemessen unterstützen.