Der Name "Rietzschke" hat slawische Wurzeln und bedeutet Flüsschen. Die Östliche Rietzschke ist heute etwa 7,5 Kilometer lang. Sie fließt durch die südöstlichen und östlichen Stadtteile Leipzigs. Sie beginnt, gespeist aus verschiedenen Feldfließen, in Zuckelhausen, durchfließt die Stadtteile Holzhausen, Zweinaundorf, Mölkau und Stünz und mündet schließlich in Sellerhausen in die städtische Kanalisation. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war das anders - da floss die Rietzschke weiter über Volkmarsdorf, Reudnitz und Neuschönefeld und mündete schließlich in die Parthe. Dieser Verlauf ist heute nur noch an einigen Bodensenken erkennbar.
Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert war die Rietzschkeaue ein beliebtes Ausflugsziel der Stadtbewohner, und es gab einen Wanderweg am Ufer des Flüsschens. In der fruchtbaren Rietzschkeaue wurde Gemüse für die Versorgung der Stadt Leipzig angebaut. Daran erinnern heute noch Straßennamen wie Kohlgartenstraße oder Kuchengartenstraße. Mit der Industrialisierung wurden aber die Felder nach und nach mit Wohn- und Gewerbegebäuden bebaut, und die Rietzschkeaue wurde immer kleiner. Zum Ende des 19. Jahrhunderts war der Flussverlauf garade noch vorhanden, in den folgenden Jahren wurde die Rietzschke aber nach und nach überbaut und verschwand somit im Untergrund. Viele Gebäude und Kleingartenanlagen im Bereich der früheren Rietzschkeaue erleben aber heute noch Überschwemmungen und Feuchtigkeit aus dem verbauten früheren Fluss.
Die Östliche Rietzschke fließt durch das etwa 40 Hektar große Landschaftsschutzgebiet "Östliche Rietzschke - Stünz".
Im Norden Leipzigs gibt es einen ähnlichen kleinen Fluss, der früher ebenfalls ein Zufluss der Parthe war und heute ebenfalls in der Kanalisation endet: die Nördliche Rietzschke. Sie fließt durch das etwa 118 Hektar große Landschaftsschutzgebiet "Nördliche Rietzschke".
von Ludwig Schellhammer (1998 in Natur und Naturschutz im Raum Leipzig, Teil IV)
Die Östliche Rietzschke ist von der Tätigkeit des Menschen geprägt. Durch jahrzehntelange Einleitung ungeklärter Abwässer gingen dem Gewässer alle Qualitäten als Lebensraum für Pflanzen und Tiere verloren. Nicht zuletzt wird dieser Mißstand Anlaß dafür gewesen sein, den Bach vollständig der städtischen Kanalisation zuzuführen. Die natürliche Mündung in die Parthe (bei Volkmarsdorf, alter Eilenburger Bahnhof) wurde beseitigt. In jüngster Zeit werden große Anstrengungen zur Verbesserung der Wasserqualität unternommen, die Isolierung vom Fließgewässernetz Leipzigs ist jedoch durch die Überbauung der alten Rietzschkeaue irreversibel.
All dessen ungeachtet blieben im Umfeld des Gewässers beachtenswerte Biotope erhalten oder haben sich neu entwickelt. Sie profitieren vom hohen Grundwasserstand und den damit verbundenen Nutzungsbeschränkungen. Die Östliche Rietzschke fungiert somit gewissermaßen als Leitschnur einer Aufreihung schützenswerter und geschützter Biotope, deren Bedeutung als Refugium im Stadtbereich östlich von Leipzig nicht unterschätzt werden darf. Um dies zu belegen, werden hier Auszüge aus den Notizen einer Exkursion im August 1992 wiedergegeben und gewertet:
Die Östliche Rietzschke entspringt einem Teich (Dorfteich) in Holzhausen am Zuckelshausener Ring. Dieser Teich ist stark eutrophiert. Am Ufer finden wir bekannte Sumpfpflanzen, wie Ufer-Wolfstrapp, Gilbweiderich, Wasserminze, Flohkraut, Ampfer-Knöterich, im Wasser die Salz-Teichsimse (Schoenoplectus tabernaemontam). Interessant ist das Vorkommen des Dreiteiligen Zweizahns (Bidens tripartita), der fast überall in Leipzig und Umgebung durch den Schwarzfrüchtigen Zweizahn (Bidens frondosa) verdrängt wird (Neophyt). Die Weiden am Ufer sind Trauerweiden (Salix alba fo pendula). Der Bach verläßt den Zuckelhäuser Ring in nördlicher Richtung, zunächst von Pappeln gesäumt und von Feldern umgeben. Kurz vor der Holzhäuser Straße befindet sich eine Senke, die durch folgende bemerkenswerte Pflanzen charakterisiert wird: Salz-Teichsimse (Salzanzeiger), Geknickter Fuchsschwanz (Staunässeanzeiger), Knäuel-Ampfer (Feuchteanzeiger), Rohrglanzgras (Feuchteanzeiger), Schwarzfrüchtiger Zweizahn, Gemeines Sumpfried und Zierliche Segge (beides Staunässeanzeiger), eine Vielzahl von Weidenröschenarten, wie Sumpf-Weidenröschen, Zottiges Weidenröschen, Kleinblütiges W., Kantiges W., Drüsiges W. Als Neophyten und Gartenflüchter sind zu nennen: Japanischer Staudenknöterich (Reynoutria japonica) und Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum).
Wir folgen weiter unserem Bach, der nach dem Kärrnerweg nach Nordost abbiegt. Von hier aus bis zur Ortslage Zweinaundorf ist das Gewässer begradigt und wird linksseits von interessanten Wiesen begleitet. Südlich von Zweinaundorf sind zu finden: Silau (RLS), Großer Wiesenknopf (RLS), Weinberglauch (RLS), Rote Zaunrübe, Wiesenlabkraut und Glatthafer, Ackerschachtelhalm (Staunässeanzeiger), Hopfenseide (Cuscuta europaea) auf Brennesseln (ein Vollschmarotzer!), Heidenelke (Dianthus deltoides RLD!), Sumpf-Storchschnabel und Kohl-Kratzdistel (RLS, Feuchteanzeiger), Grasmiere und Rohrglanzgras. Eine interessante Beobachtung war das Vorkommen des Schwarzblauen Moorbläulings (Maculinea nausithous), der in der Liste der vom Aussterben gefährdeten Arten steht. Über seine Lebensgeschichte ist nachzulesen bei "Schmetterlingswiese Wachau" (Heft III). In Zweinaundorf ist die Östliche Rietzschke teilweise verrohrt, sie speist hier jedoch den Dorfteich, der zusammen mit der Kirche und einer prächtigen Flatterulme ein hübsches Ensemble bildet. Der Teich interessiert uns: Kleine Wasserlinse in Massen, Fluß-Ampfer (Rumex hydrolapathum), Zierliche Segge und Sumpf-Segge, Salz-Teichsimse, Blutweiderich, Zottiges Weidenröschen. Auch hier konnte der Schwarzblaue Moorbläuling beobachtet werden. Weitere Schmetterlinge: Zitronenfalter, Gelbe Acht, Admiral, Grasvogel und Großes Kuhauge, Kohlweißling, Rapsweißling, Kleiner Fuchs, Tagpfauenauge. Verhört wurde der Sumpfrohrsänger. Sichtnachweis: Grünfüßiges Teichhuhn, Bleßralle, Stockente. Im Anschluß gelangen wir in den ehemaligen Gutspark. Dieser ist als FND geschützt. Hier gab es früher eine Brutkolonie der Saatkrähe. Die Vögel sind jedoch aus nicht bekannten Gründen in das Stötteritzer Wäldchen und zum Kleinen Kolmberg umgezogen.
Der seltene Kammolch bewohnt die vorzufindenden Tümpel; auch der Park selbst ist botanisch beachtenswert. Die Wiesen werden neuerdings nach den Erfordernissen des Naturschutzes bewirtschaftet. Das läßt erste Erfolge im Artenspektrum erkennen: Wiesen-Fuchsschwanz, Glatthafer, Gem. Bärenklau, Sumpf-Storchschnabel, Große Bibernelle (Pimpinella major RLS), Schlangenwurz (Polygonum bistorta RLS), Mädesüß, Rohrglanzgras, Wolliges Honiggras. An Gehölzen: große Stieleiche (Quercus robur), zwei große Walnußbäume (Juglans regia), Hänge-Silberlinden (Tilia petiolaris) neben Eschen, Erlen, drei Ahornarten (einheimisch). An Schmetterlingen wurden beobachtet: Landkärtchen (Raupen an Brennesseln), Grasvogel, Hauhechel-Bläuling. Sichtnachweis vom Schwarzen Milan. Südlich der Engelsdorfer Straße macht die Östliche Rietzschke einen scharfen Knick nach Westen. Während sie im Park recht naturnah im Verlauf und mit Auwaldaspekt anzutreffen ist, hat sie hier wieder den Charakter eines Entwässerungsgrabens. Zwischen dem Bach und der Engelsdorfer Straße finden wir eine langgestreckte, sehr gut ausgeprägte Naßwiese. Im Frühjahr steht diese knöcheltief unter Wasser. Vor der ersten Mahd erscheint die Fläche schon fast wie ein Röhricht. Untersuchungen über die zoologische Bedeutung wären hier besonders wünschenswert. Folgende Pflanzen sind kennzeichnend: Kohl-Kratzdistel (RLS), Schlangenwurz (RLS), Großer Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis RLS), Beinwell, Wiesen-Storchschnabel, Sumpf-Storchschnabel, Rasenschmiele (Wechselfeuchteanzeiger), Krause Distel (Carduus crispus), Weißes Straußgras (Pionierpflanze), Wehrlose Trespe (Bromus inermis, Wärmeanzeiger), Mädesüß, Schilf (Anzeiger von sauberem Wasser), Knäuel-Ampfer. Beobachtet wurde die schöne Wespenspinne (Argyope bruennichi), die in viele Gebiete einwandert (südliches Tier). Für den Sumpfteil der Wiesen sind zu nennen: Wasserknöterich, Gem. Sumpfried, Rohrglanzgras, Geknickter Fuchsschwanz, Kriechender Hahnenfuß (Staunässeanzeiger), ebenso Ampfer-Knöterich, ferner Blutweiderich, Froschlöffel, Zierliche Segge, Wasser-Sumpfkresse (Rorippa amphibia), Glieder-Binse (Juncus articulatus), Acker-Schachtelhalm (Staunässenanzeiger). An der Ortseinfahrt Mölkau bemerken wir rechts einen gemauerten Keller, dessen "Dach" sich uns als kleiner, von Trockenrasen geprägter Hügel darbietet. Folgende Arten weisen darauf hin: Gem. Beifuß, Johanniskraut, Margerite, Wiesen-Schwingel, Sichelmöhre (Falcaria falcata), Mittlerer Wegerich (Plantago media), Kriechende Hauhechel, Knolliger Steinbrech (RLD!), Silber-Fingerkraut, Schaf-Schwingel, Rauhaar-Schwingel, Gem. Taubenkropf, Weinbergslauch (RLS), Rispiger Ampfer (Rumex thyrsiflorus).
Im Ortskern Mölkaus und im Anschluß spielt unser Bach leider keine besonders prägende Rolle mehr.
von Petra Hanso (1998 in Natur und Naturschutz im Raum Leipzig, Teil IV)
1993 wurde die Rietzschke im Bereich Volkshain Stünz entschlammt, große Rohre wurden gelegt, so daß die Abwässer gesammelt und von der Rietzschke getrennt werden konnten. Das Wasser der Rietzschke erscheint nunmehr hier klar. Ein Bahngleis überquert die Rietzschke in der Nähe eines Denkmals, das auf die Völkerschlacht bei Leipzig hinweist. Die Uferböschung des Baches wurde naturbelassen, also nicht mit Steinen befestigt. Der Park besteht aus Eschen, Erlen, drei Ahornarten, auch ausländische Bäume sind anzutreffen, wie eine Weiße Hickory (Caria alba), eine Weiße Eiche (Quercus alba), Amerikanische Roteichen (Quercus rubra), ferner finden wir eine Allee mit Rotblühenden Kastanien (Aesculus x carnea, Hybride von Aesculus hippocastanum x pavia). Eine große Blutbuche (Fagus silvatica fo atropurpurea) ist auffällig. Beobachtung eines Grünspechtes. Der Teich: Sumpf-Schwertlilie (Iris pseudacorus RLD!), Weiße Seerose (Nymphaea alba RLD!), Uferwolfstrapp, Salz-Teichsimse und Breitblättriger Rohrkolben. Auf dem Teich tummeln sich Stockenten und Bleßrallen. Die Wiesen des Volkshains Stünz: sie sind ausgewiesen für Ballspiel, Liegewiese, Hundewiese. Hierher kommen die Kinder, um im Herbst ihre Drachen steigen zu lassen. Die Wiesen werden zwei- bis dreimal gemäht. Es kann eine relative Vielfalt von Arten beobachtet werden, u.a. Großer Wiesenknopf. Das Wäldchen trägt eine Flora mit Auwaldcharakter. Hier können viele Frühjahrsblüher, die uns vom Auwald bekannt sind, beobachtet werden. Nach der Bahnüberführung verläuft die Östliche Rietzschke an Schrebergärten vorbei. Bodendruckwasser verursachte eine teils starke Vernässung einiger Schrebergärten, die in Abstimmung mit dem Grünflächenamt und dem Amt für Umwelt aufgegeben werden mußten. Dann verschwindet die Östliche Rietzschke unter der Wurzener Straße, etwa beim S-Bahn-Übergang, an dem unmittelbar ein Sportplatz liegt.