Weltweit leiden Auenlandschaften unter den Folgen des technischen Hochwasserschutzes: die Trennung der Flüsse von ihren Auen, Wasserarmut und damit einhergehend Biotop- und Artenschwund. Für Sachsen hat der Freistaat nun ein „Auenprogramm“ veröffentlicht. Ziel ist es, die Anforderungen des Hochwasser-, Gewässer-, Natur- und Klimaschutzes sowie eine nachhaltige Landnutzung miteinander zu vereinbaren. Das ist eigentlich überfällig, deshalb begrüßt der NABU Sachsen das Auenprogramm, verweist jedoch auf Diskussionsbedarf. An vielen Stellen ist es zu unkonkret, ein klares Bekenntnis zu naturnahen Auenlandschaften mit Weich- und Hartholzaue und lebendigen, Hochwasser führenden Flüssen fehlt.
Dem Schriftstück müssen nun dringend Taten folgen, denn dass auch in Sachsen die Auen in alarmierend schlechtem Zustand sind, wird bei der Lektüre des Papiers offensichtlich. Der Freistaat
Sachsen war bisher im Bereich des Auenschutzes weitgehend untätig. Mit dem Auenprogramm verspricht er Besserung. Das ist auch unbedingt nötig, denn die Versäumnisse in der Auenrevitalisierung
führen auch dazu, dass die nationalen Ziele zum Erhalt der Biodiversität und zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie verfehlt werden. In Sachsen befinden sich null Prozent der auentypischen
Lebensräume in einem günstigen Erhaltungszustand, und nur drei Prozent der Fließgewässer befinden sich in einem guten ökologischen Zustand. Mit diesen Werten verfehlt Sachsen die Vorgaben der
Europäischen Union, es besteht also dringender Handlungsbedarf.
Möglichkeiten und Schwierigkeiten sind in dem Papier benannt – es zeugt davon, dass den Verantwortlichen die Probleme inzwischen bewusst sind. Die Förderung der Biodiversität und der Erhalt
auentypischer Lebensräume muss oberste Priorität haben. Diese Ziele dürfen nicht dem Hochwasserschutz oder wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden, denn Natur und Landschaft sind laut
Bundesnaturschutzgesetz ihres eigenen Wertes wegen und als Grundlage für Leben und Gesundheit des Menschen geschützt. Gerade Auen bieten unverzichtbare Ökosystemleistungen, die dem Interesse des
Hochwasserschutzes gleichwertig sind, wie zum Beispiel Klimaschutz, Wasserreinigung und Wasserspeicher.
Lösungen, die eine schnelle und effektive Umsetzung von Projekten im Auenschutz ermöglichen, müssen mit politischer Unterstützung geschaffen oder erleichtert werden, hier fehlt eine klare
Positionierung des Auenprogramms. Der Freistaat hat eine Vorbildfunktion, wie im Auenprogramm ebenfalls erwähnt wird – vor allem bei Landnutzungskonflikten und der Frage nach
Flächenverfügbarkeit. Diese Auffassung vertritt der NABU Sachsen schon immer, aber wie wird der Freistaat nun dieser Vorbildfunktion gerecht werden? Ein Auenprogramm kurz vor der Landtagswahl und
der Bildung einer neuen Landesregierung – man muss hoffen, dass es nach der Wahl unterfüttert und in die Tat umgesetzt wird. Das erfordern nicht nur die Vorgaben der EU: Der Schutz der
Biodiversität und der Klimaschutzfunktionen sowie einer artenreichen sächsischen Kulturlandschaft ist im Interesse einer nachhaltigen Zukunft unumgänglich für jede neue Regierung.
Die Naturschutzverbände werden im Auenprogramm unter anderem als Partner in den Bereichen des Flächenerwerbs, der Bewirtschaftung und der Umweltbildung benannt. Das begrüßt der NABU ausdrücklich.
Dem müssten nun aber auch schnell konkrete Projekte der Kooperation folgen, insbesondere verbunden mit der dafür notwendigen Förderung der ehrenamtlichen Arbeit der Verbände oder einem
erleichterten Flächenerwerb. Gemeinsam mit Akteuren vor Ort und insbesondere in Zusammenarbeit mit den Naturschutzverbänden müssen Möglichkeiten genutzt werden, um die Auenrevitalisierung so
schnell wie möglich zu realisieren. Das Papier fordert zu Recht vor der Schaffung neuer Auenlebensräume den Erhalt vorhandener. Da sich diese aber in einem schlechten Erhaltungszustand befinden,
sind umso mehr Tatkraft und der politische Wille geboten, um eine Revitalisierung herbeizuführen.
Positiv bewertet der NABU Sachsen auch, dass im Programm Handlungsbedarf in Regionen benannt wird, in denen sich der NABU bereits seit vielen Jahren mit praktischen Naturschutzprojekten,
Flächenerwerb, Biotoppflege oder Umweltbildung engagiert. Dazu zählt insbesondere die Auenlandschaft in der Region Leipzig. Hier erhofft sich der NABU infolgedessen eine Unterstützung und
Koordinierung der notwendigen Naturschutzmaßnahmen, sodass Land, Kommunen und Verbände kurzfristig Maßnahmen umsetzen, um den Erhaltungszustand schnell und großflächig zu verbessern.
Bei all den Fakten um den Schutz der sächsischen Auen verwundert das Vorgehen der Landestalsperrenverwaltung umso mehr, die sich jüngst über die Presse zum Ergebnis einer Studie zur
Elster-Luppe-Aue äußerte, obwohl sie die Studie selbst bisher nicht veröffentlicht hat. Eine Öffnung der Aue für natürliche Hochwasser würde demnach, wenn überhaupt, nur mit erheblichen
finanziellen Mitteln möglich sein, und sie würde zu Überschwemmungen im bebauten Bereich führen. Der Wille zum Auenschutz und zur Nutzung des Potenzials der Elster-Luppe-Aue für den ökologischen
Hochwasserschutz ist hier trotz Auenprogramms nicht zu erkennen.
Auch der derzeitige Umgang mit dem Lebensraum Weichholzaue mag nicht so recht zu einem Auenprogramm passen. An den großen Flüssen Sachsens, insbesondere der Vereinigten Mulde und der Elbe, müssen
die ohnehin im Programm vorgesehenen Retentionsflächen in entsprechenden Fällen zu Ansiedlung von Weichholzauwald im Sinne des Biotopverbundes durch Sukzession oder auch durch Initiierung genutzt
werden. Hier verhindert das Argument „Hochwasserschutz“ nach wie vor wichtige Auenprojekte.
Dennoch: Der Freistaat setzt sich bei seinem Auenprogramm erstmals mit dem Schutz der sächsischen Auenlandschaften, der Biodiversität und mit der Einhaltung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie
auseinander. Mit einer konsequenten Umsetzung von Projekten in den genannten Potenzialgebieten auf Basis naturbasierter Lösungen und der Unterstützung aus Politik und Gesellschaft kann das
Auenprogramm zum Erfolg führen.
Das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet) Leipziger Auensystem ist trotz unübersehbarer menschlicher Nutzung und Überprägung ein ökologisch wertvolles, artenreiches Auenökosystem. Doch es muss jetzt gehandelt werden, um es vor dem Verschwinden zu schützen!
In den letzten 100 Jahren haben wasserbauliche Maßnahmen zu einer massiven Bedrohung der Flusslandschaft geführt. Vor allem der Bau der Neuen Luppe und der damit verbundene Grundwasserentzug
sowie die weitreichenden Eindeichungen haben die Flüsse von ihrer Aue getrennt und führen zu einer schleichenden Austrocknung. 2018 hat die Stadt Leipzig den Dialog mit den Naturschutzverbänden
aufgenommen, um ein Konzept zur Rettung des Leipziger Auwaldes zu erstellen. Ein Jahr später hat sich auch das Land Sachsen des Themas angenommen und ein Auenprogramm veröffentlicht. Schutz,
Erhalt und Entwicklung der sächsischen Auenlandschaften müssen zukünftig in der Region eine zentrale Rolle beim Erhalt der Biodiversität, beim Klimaschutz und Hochwasserschutz spielen, zudem
dienen solche Maßnahmen den Zielen der EU-Wasserrahmenrichtlinie und sind daher auch gesetzlich vorgeschrieben.
Der NABU hat für die Leipziger Auenlandschaft konkrete Forderungen formuliert, die über das Wasserregime hinausgehen. Denn in einer urbanen Auenlandschaft, wie in Leipzig und Schkeuditz, spielen
auch Faktoren wie Infrastruktur, Besiedlung, Tourismus und wirtschaftliche Nutzung eine große Rolle. Weiterlesen
Maßgeblich auf Initiative von Prof. Dr. Christian Wirth vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und Dr. Christian Franke vom Sächsischen Landesamt für Umwelt Landwirtschaft und Geologie (LfULG) hat der NABU Sachsen zusammen mit anderen Verbänden sowie Vertretern aus zuständigen Kommunal- und Fachbehörden eine „Vision“ als naturschutzfachliches Leitbild für die Auenentwicklung in und um Leipzig entwickelt. Das Ergebnis ist ein 63-seitiges Diskussionspapier mit dem Titel „Dynamik als Leitprinzip zur Revitalisierung des Leipziger Auensystems“. Sachsens Umweltminister Günther würdigte das Papier als fundierte Grundlage und kündigte weitere Schritte an. In zehn Thesen stellen die Autoren Leitlinien vor, auf deren Grundlage detaillierte Konzepte für die Wiederbelebung der Auen erarbeitet werden können. Denn das Auensystem entlang der Weißen Elster, Pleiße und Luppe ist seit Jahrzehnten von seinem wichtigsten Element abgeschnitten: dem Wasser. Der Wald trocknet buchstäblich aus, verliert seine charakteristischen Baumarten und deren Bewohner. Weiterlesen