Muss man vor Wildkatzen oder Luchsen Angst haben, wenn man ihnen im Wald begegnen würde? Das war die Einstiegsfrage mit der Förster Martin Opitz seine jungen Gäste begrüßte. Und natürlich muss
man keine Angst haben vor den wilden Tieren, die außerdem einer Begegnung mit Menschen meist aus dem Weg gehen.
„Der vergleichsweise alte Luchsrüde im Windpark ist mit seinen 16 Jahren schon so betagt, dass er auch bei potentiellen Beutetieren wohl keinen Schrecken mehr verbreiten könnte“, erzählt
Opitz.
Mit der Fütterung seiner Schützlinge hatte er sich extra Zeit gelassen; umso hungriger und entsprechend umtriebiger waren dann auch Luchs, Wildkatze und Nerz, als Martin Opitz vor den Augen der
„Parthefrösche“ tote Hühnerküken an die Tiere verfüttern ließ.
Damit begann für die Kindergruppe des NABU Plaußig-Portitz eine zweistündige Spezialführung in der großzügigen Freianlage – teilweise auch abseits der üblichen Besucherwege. Dabei wusste der
Leipziger Stadtförster den „Parthefröschen“ einiges aus dem Leben der heimischen Tierwelt zu erzählen.
Während das Weibchen eines europäischen Nerzes ihm angebotenes Futter vor den großen Augen der Kinder im mehrfachen Hin und Her und in wilden Sprüngen in einem Steinhaufen inmitten seines Geheges
ablegte, wo ihr hungriger Nachwuchs wartete, erzählte Opitz von der Beteiligung des Wildparks an einem Erhaltungszuchtprogramm für diese Tierart. Haben die Jungtiere der Nerze ein gewisses Alter
erreicht, werden die Leipziger Jungtiere in freier Wildbahn ausgesetzt, wie schon in der Vergangenheit vornehmlich in der Lüneburger Heide. „Die Nerze haben ein Problem“, erklärte Förster Opitz,
„denn sein amerikanischer Verwandter, der Mink, verdrängt den europäischen Nerz aus seinen angestammten heimischen Revieren in Wassernähe.“
Ausgelöst wurde dieses Problem, weil der Mink aus Pelztierfarmen in die Freiheit gelangte. Auch die Vermehrung eines weiteren Ausreißers aus Pelztierfarmen hält Leipzig aktuell in Atem: Auf rund
1000 im Stadtgebiet von Leipzig und insbesondere in dessen Stadtrandlagen schätzt Opitz die derzeitige Verbreitung des dämmerungs- und nachtaktiven Waschbären. „Das sind schon mehr als es
Rotfüchse bei uns gibt“, berichtet Opitz. „Mit mehr Bejagung bekommen wir das Problem in der Stadt nicht in den Griff, denn auf höhere Abschusszahlen reagiert der Waschbär mit mehr Nachwuchs und
früherer Geschlechtsreife", ergänzt der Förster und verweist auf entsprechende Erfahrungen seiner Kollegen im Raum Kassel, von wo aus der Waschbär sich in Deutschland immer mehr ausgebreitet
hat.
„Wir werden wohl in der Zukunft richten unser Augenmerk auf ‚Problemwaschbären‘ richten und uns ansonsten mit den Waschbären in Leipzig arrangieren müssen“, prophezeit Opitz vor einem Gehege mit
Waschbären. Und mit dem Marderhund und dessen aktueller Ausbreitung von Westen her bis in eine Linie ungefähr an die Autobahn 9 warte Leipzig bereits auf den Einzug einer weiteren Tierart.
Ein großes Exemplar eines europäischen Wisents, das hinter einem Wildgatter mit gesenkten Hörnern auf die Kinder blickte, schien eher nicht auf Streicheleinheiten aus zu sein. „Davon muss man
auch dringend abraten“, warnte Opitz seine jungen Gäste.
Vor einer Voliere mit einem Uhu als größtem heimischem Nachtgreifvogel wirft Förster Opitz die Frage auf, woran man denn erkennen könne, ob eine im Wald gefundene Vogelfeder einem Nacht- oder
einem Taggreifvogel gehört. „Flausen am Rand der Federn deuteten auf nachtaktive Greifvögel hin, die sich lautlos ihrer Beute nähern, glatt gerandete Federn hingegen auf tagaktive Vögel“, verrät
Opitz – ein kleiner Tipp für künftige Entdeckungstouren in der Natur.
„Rehe sind die Jungtiere von Hirschen. Diese Weisheit hört man immer wieder“, berichtet Förster Opitz und erklärt den junge Naturschützer, dass es sich dabei um ein Ammenmärchen handelt, und dann
zeigt er den Kindern die echten Hirsche und erklärt am Damwildgehege was „Fegeschäden“ sind.
Am Beginn der Führung hatte Förster Opitz den seinen jungen Gästen bersprochen, dass sie am Ende auch selbst ein Wildtier füttern dürfen. Nun wurde das Versprechen eingelöst: In einer Voliere
dürfen die „Parthefrösche“ einem jungen und noch nicht flüggen Turmfalken, der hilflos im Wildpark abgeliefert worden war, abwechselnd mit einer Pinzette eine besondere Leckerei reichen. Die ihm
angebotenen Herzstückchen schmecken dem jungen Vogel, der später einmal in Freiheit selbst auf Mäusejagd fliegen soll.
Eine für die Kinder bittere Wahrheit kommt dabei auch noch zur Sprache: „Wenn man einen aus dem Nest gefallenen jungen Singvogel findet, dann sollte man in der Regel nicht versuchen, ihn zuhause
selbst aufzupäppeln oder im Wildpark abliefern. Das ist für den kleinen Vogel mit viel Stress verbunden“, erklärt Förster Opitz. Besser sei es, ihn einfach seinem natürlichen Schicksal zu
überlassen und den Fall auf diese Weise zu lösen: „Vielleicht überlebt der kleine Vogel, vielleicht holt ihn aber auch eine Krähe.“
So viele spannende Eindrücke und so viele lehrreiche Informationen kann die NABU-Kindergruppe mit nach Hause nehmen. Auch dem sechsjährigen Emil aus Portitz, der zum ersten Mal mit den
„Parthefröschen“ unterwegs war, hat der Rundgang gefallen. Er, sein älterer Bruder und seine Mutter nutzen gleich die Gelegenheit und treten dem Naturschutzbund Leipzig bei.
Ein spannender und lehrreicher Nachmittag für die „Parthefrösche“: Stadtförster Martin Opitz hatte die NABU-Kindergruppe in den
Wildpark eingeladen.