Der Gefleckte Aronstab ist eine Kuriosität unter den Pflanzen des Auwaldes. Benannt nach dem ergrünenden Stab des biblischen Hohepriesters Aaron, gehört sie zu der vorwiegend tropischen
Pflanzenfamilie der Aronstabgewächse (Araceae), deren Arten bei uns häufig als Zimmerpflanzen kultiviert werden (Anthurie, Monstera, Philodendron, Dieffenbachie, Efeutute, Zimmercalla,
etc.)
Die breiten, spießförmigen Blätter und der von einem auffälligen grünlichweißen Hochblatt umgebene Blütenstand kommen im zeitigen Frühjahr aus einem im Boden befindlichen knolligen Wurzelstock,
der als Speicherorgan ausgebildet ist. Er enthält bis zu 70 Prozent Stärke. Im Auwald trifft man zwei verschiedene Varietäten des Aronstabs an: Deren Blätter sind entweder ungefleckt (var.
immaculata) oder braunschwarz gefleckt (var. maculatum).
Eine Besonderheit stellt der als „Kessel-Gleitfallenblume“ bezeichnete, im April oder Mai erscheinende Blütenstand dar. Im unteren, vom Hochblatt eng umschlossenen kesselförmigen Abschnitt
enthält er die eingeschlechtigen Blüten. Die weiblichen, die zuerst reifen, befinden sich unten, die männlichen darüber. Nach oben wird der „Kessel“ abgeschlossen durch einige sterile Blüten, die
wegen ihrer haarartigen, sperrigen Fortsätze als Reusenhaare bezeichnet werden. Als Bestäuber treten Schmetterlingsmücken der Gattung Psychoda auf, die diese Blütenzone passieren können.
Angelockt werden sie auch durch einen auffälligen Uringeruch, der besonders abends wahrzunehmen ist, sowie durch den als Schauorgan dienenden weißlichgrünen Hochblattabschnitt und den sterilen
violetten, keuligen Endteil des Kolbens.
Der „Kessel“ dient den Insekten gleichzeitig als eine Art Wirtshaus, denn es herrschen in ihm bis zu 25 Grad höhere Temperaturen als außen, und es wird ihnen durch einen auf der Narbe
befindlichen Bestäubungstropfen auch Nahrung angeboten. Nachdem die weiblichen Blüten befruchtet sind, reifen die Pollen der männlichen Blüten, und die Insekten werden damit eingestäubt. Ein
Ölfilm, der anfangs die Wände des „Kessels“ bedeckte und den Mücken das Entweichen unmöglich machte, trocknet gleichzeitig ein, so dass sie den „Kessel“ verlassen können, um andere Blüten zu
bestäuben. Die Ende Juli und im August reifenden Früchte sind hellrote Beeren.
Die ganze Pflanze ist im frischen Zustand giftig. Beim Kosten von Blattstielen merkt man nach kurzer Zeit ein scharfes Brennen auf der Zunge, das durch spitze Kalziumoxalatkristalle hervorgerufen
wird.
Der Gefleckte Aronstab besiedelt nährstoffreiche, lockere und frische Böden in artenreichen Laubmischwäldern. Er ist eine typische Auwaldpflanze, die besonders mit anderen Zwiebel-, Knollen- und
Rhizompflanzen wie Bärlauch, Lerchensporn, Märzenbecher, Gelbem Windröschen u. a. auftritt.
Text: Prof. Dr. G. K. Müller