Die Silberweide ist ein Gehölz des Tieflandes. Diese Weidenart bevorzugt feuchte, tiefgründige, nährstoffreiche, periodisch überschwemmte Böden. Sie kann bis zu 30 Meter hoch werden und gehört
damit zu den größten einheimischen Weidenarten. Mit einem Alter von bis zu 120 Jahren ist die Silberweide auch eine der langlebigsten. Sie zählt zu den schnellwüchsigsten Bäumen Mitteleuropas. Im
Leipziger Auwald bildet sie besonders mit dem Mandelweiden-Korbweidengebüsch (Salicetum triandrae) die Weichholzaue.
Die Gattungsbezeichnung Salix leitet sich vom lateinischen Wort sal (Salz) ab. Wenn die schmallanzettlichen, unterseits dicht seidig gehaarten Blätter der Silberweide im Wind silbern schimmern,
erinnert das auch an Salzstein. Darauf bezieht sich auch der wissenschaftliche Artname „alba“ (lateinisch albus = weiß).
Die Silberweide ist von Natur aus sehr vielgestaltig und bildet zudem Bastarde, so zum Beispiel mit der Bruchweide (Salix fragilis), mit der sie auch häufig verwechselt wird. Der Bastard
dieser beiden ist die Fahlweide (Salix x rubens), die häufig in der Elster-Luppe-Aue anzutreffen ist.
Im Frühjahr bieten die blühenden Weidenkätzchen die erste und einzige Nahrung für zahlreiche Insekten, insbesondere Bienen, Hummeln und Schmetterlinge. Die Kätzchen der Silberweide sind 3 bis 6 Zentimeter lang, schlank, gestielt und etwas gebogen. Heute noch bindet man aus Weidenkätzchenzweigen den Palmbusch für den Sonntag vor Ostern (nach biblischer Lesart zog Jesus an diesem Tag in Jerusalem ein). Dabei ersetzen die Weidenzweige die echten, nur in wärmeren Regionen gedeihenden Palmenzweige – ein Grund, warum in der Ukraine der Palmsonntag nur als Weidensonntag bekannt ist.
Die natürliche Vermehrung geschieht im Juni, wenn die reifen Kapselfrüchte aufklappen und der Wind die mit weißem Haarschopf versehenen Samen wie Schneeflocken wirbeln lässt und zu neuen, vegetationsarmen, feuchten Böden trägt. Allerdings sind die Samen nur kurze Zeit keimfähig.
Ist die Weide jung, hat ihr Stamm eine glatte, weißgraue Rinde. Später sieht die Borke längsrissig, dick und Braun aus. Die Äste stehen im spitzen Winkel ab. Das Holz hat einen bräunlichweißen Splint und einen rötlichen Kern. Es ist sehr weich, grobfaserig, schaumig und biegsam. Bis heute wird es im Bootsbau, in der Zündholz- und Papierindustrie verwendet. Aus dem Holz wurden Kisten, Spankörbe, Holzschuhe, Holzwolle, Spielzeug und Reißbretter hergestellt.
Ein Absud aus Blättern und Rindenstückchen junger Zweige soll gegen Fieber helfen und ein Tee nervenstärkend sein. In der Rinde der Silberweide steckt der Wirkstoff Salicin, der im menschlichen Körper zur wirksamen Salizylsäure oxidiert. Bis zur synthetischen Herstellung der Salizylsäureverbindung wurde die Weide als fiebersenkender Wirkstoff eingesetzt. Heute hat die Silberweide als Medizin keine Bedeutung mehr.
Während bei den Germanen der Todesgott Viddharr das Weidengebüsch bewohnte und im Angelsächsischen Weide (willow), böse (wicked) und Hexe (witch) den gleichen Wortstamm haben, symbolisierte die Weide für die alten Griechen nicht nur den Tod, sondern auch junges, sich entfaltendes Leben und Geburt. Die Weiden waren die lebensüberschreitenden Bäume auf dem schmalen Landsaum zwischen dem Reich des Helios und dem des Hades. Bei den Chinesen bezeichnet „Qi“ gleichzeitig die Weide wie auch den Lebensatem. Ihr Qi spricht von der ungezügelten Lebenskraft bis hin zur beinahe maßlosen Energie – ein schönes Gleichnis für die Weide.
Text: U. Schatte
Die Silberweide war auch Deutschlands Baum des Jahres 1999.