Mit dem mehrfach verschobenen Tag Blau am 11. Juli 2011 war es soweit: Der Wasserweg zwischen zukünftigem Leipziger Stadthafen und Cospudener See wurde feierlich für den Bootsverkehr freigegeben. Unklar war fast bis zuletzt gewesen, ob diese „freie Fahrt“ auch für Motorboote gelten sollte. Erst wenige Tage vor dem Termin verkündete jedoch die Landesdirektion, dass sie das Verfahren zur Erklärung der allgemeinen Schiffbarkeit für den „Kurs 1“ mit sofortiger Wirkung aussetze. Mit der Feststellung der allgemeinen Schiffbarkeit wäre es allen Bootsbesitzern erlaubt worden, auch den sensiblen Floßgraben zu befahren, und zwar nicht nur mit muskelbetriebenen Booten.
Einfluss auf diese Aussetzung des Verfahrens hatte wohl nicht zuletzt ein Gutachten der TU Dresden, das zu dem eindeutigen Schluss gekommen war, dass eine allgemeine Schiffbarkeit des Floßgrabens im derzeitigen Zustand nicht möglich ist. Dazu wären massive Ausbaumaßnahmen – Verbreiterung, Vertiefung, Anhebung der Brückenbauwerke – notwendig, die auf jeden Fall zu großen ökologischen Problemen führen würden und in einem langwierigen Planfeststellungsverfahren mit Beteiligung (und Klagerecht) der Naturschutzverbände genehmigt werden müssten. Diese Einschätzung entsprach den Argumenten, die auch von den Verbänden in den vorangegangenen Diskussionen immer wieder angeführt worden waren, mit dem Hinweis, dass entsprechende Ausbaumaßnahmen von ihnen nach Möglichkeit verhindert werden würden. Denn eine Verbreiterung des Floßgrabens wäre mit einem schweren Eingriff in den Altholzbestand verbunden, und eine Austiefung des Floßgrabens hätte negative Folgen für den ohnehin gestörten Wasserhaushalt.
Die allgemeine Schiffbarkeit ist nun also erst einmal vom Tisch, und lediglich muskelgetriebene Boote sowie die vier mit Ausnahmegenehmigung zugelassenen Leipzig-Boote dürfen den Floßgraben befahren – ein erster Erfolg, der sicher auch auf die ablehnenden Stellungnahmen des NABU und seine Beharrlichkeit zurückzuführen ist.
Doch bereits am 11. Juli, an dem nur zwei der vier Motorboote, die den Floßgraben bereits jetzt mit Sondergenehmigung befahren dürfen, teilnahmen, stauten sich die Boote, womit deutlich wurde, dass der Floßgraben eine intensivere Nutzung nicht vertragen wird.
Der NABU und andere Verbände boten am Tag Blau eine naturkundliche Führung an und nutzten die Gelegenheit, um mit einer durchgestrichenen Schiffsschraube ein klares Zeichen gegen eine Motorbootnutzung des Floßgrabens zu setzen. Nach langen Diskussionen gelang es sogar, die Vertreter der Politik, die zur Eröffnung des Wasserweges gekommen waren, aus den Leipzig-Booten zum öffentlichkeitswirksamen Umsteigen in Paddelboote zu bewegen – ein Bekenntnis zu einer naturverträglichen Nutzung des Floßgrabens.
Aber noch ist keine Entwarnung möglich: Nach derzeitigen Planungen soll das Schiffbarkeitsgutachten auch auf weitere Kurse ausgedehnt, der Floßgraben aber in der ersten Schiffbarkeitserklärung wohl ausgeklammert werden. Erst nach weiteren Untersuchungen zu Voraussetzungen und Auswirkungen des Motorbootverkehrs könnte man dann über eine Wiederaufnahme des Verfahrens für den Floßgraben entscheiden. Vom prinzipiellen Ziel der allgemeinen Schiffbarkeit haben sich Landesdirektion und Landkreis also noch nicht verabschiedet, wie aus einem Interview mit dem Landtagspräsidenten und dem Landrat (LVZ 15.6.2011) deutlich wurde. Und der zuständige Bearbeiter bei der Landesdirektion kündigte jüngst (LVZ 9.12.2011) an, dass die Schiffbarkeit für die anderen Abschnitte noch 2011 kommen soll. Deshalb heißt es für die Naturschutzverbände weiterhin: wachsam sein! Das ist auch deshalb notwendig, weil die veranschlagten, vom Planungsbüro als unerheblich eingeschätzten 300 Bootsbewegungen pro Tag für den Floßgraben bereits eine zu große Belastung sind. Schon jetzt – nach einem verregneten, kalten Sommer, in dem diese Zahl noch gar nicht erreicht wurde – sind Schäden und Störungen eingetreten. Der NABU wird deshalb die Auswirkungen des Bootsverkehrs weiterhin kontrollieren, ebenso die Einhaltung der für die Leipzig-Boote geltenden Festlegung, den Floßgraben erst bei einem Pegel von 60 Zentimetern zu nutzen.