Baumscheiben als Biotop-Trittsteine

Bisher existiert außer den ausgewiesenen Schutzgebieten kein Biotopverbund in Leipzig. Da das Straßennetz mit Straßenbäumen bereits ein existierendes Verbundsystem darstellt, könnten mit der ökologischen Aufwertung der Baumscheiben Biotoptrittsteine im Stadtgebiet von Leipzig geschaffen werden.

Frühlingspelzbiene an Taubnessel. Foto: NABU Leipzig
Frühlingspelzbiene an Taubnessel. Foto: NABU Leipzig

Baumscheiben und Stadtbäume erfüllen viele Funktionen, sie filtern den Feinstaub des Verkehrs, sie verbessern das Klima im Wohnumfeld durch Verdunstung, sie produzieren Sauerstoff zum Atmen, sie spenden Schatten in Hitzesommern und bieten Nahrung für Insekten, Vögel und Kleinsäuger. Begrünte Baumscheiben verschönern das Straßenbild und leisten einen Beitrag zum Naturschutz. Werden sie gepflegt, geht es meist auch dem Straßenbaum besser.

Viele Baumscheiben fungieren jedoch als Hundeklo, Fahrradparkplatz oder Späti-Außenbereich. Durch Streusalz, Dürresommer und Schnittmaßnahmen aus Verkehrssicherungsgründen erreichen unsere Straßenbäume meist nur rund ein Drittel des Alters ihrer freistehenden Verwandten.

 

Wenn die Vegetation von Baumscheiben rigoros entfernt wird, sind sie ökologisch weitgehend wertlos. Foto: NABU Leipzig
Wenn die Vegetation von Baumscheiben rigoros entfernt wird, sind sie ökologisch weitgehend wertlos. Foto: NABU Leipzig

Lange Zeit war es Praxis in Leipzig, den Bewuchs von Baumscheiben rigoros zu entfernen. Dadurch gingen wertvolle kleine Lebensräume und damit die Biodiversität in der Stadt verloren. 2021 hatte der NABU Leipzig deshalb ein Positionspapier zum Thema veröffentlicht. Darin wurde deutlich gemacht, dass es für die Beseitigung des Pflanzenwuchses keine rechtliche Grundlage gibt und dass die Pflanzen ökologisch wertvoll sein können. Andere Umweltverbände schlossen sich der Position des NABU Leipzig an, daraufhin hat der Stadtrat das Thema aufgegriffen und dazu Anträge formuliert. Im Oktober 2021 wurde dann endlich beschlossen, dass Pflanzen auf Baumscheiben bleiben dürfen.


2022 hat der NABU Leipzig erstmals zum Wettbewerb „Die schönste Baumscheibe Leipzigs“ aufgerufen. Bewerben konnt sich, wer in Leipzig eine Baumscheibe pflegt. Das kann bedeuten, dass man sich um die dort entstandene Spontanvegetation kümmert, es ist aber auch möglich, eine Baumscheibe gezielt zu bepflanzen. Dafür können heimische Stauden verwendet oder eine Samenmischung ausgebracht werden.

 

Der NABU Leipzig möchte den Wettbewerb fortführen, denn viele haben keinen eigenen Garten oder grünen Hinterhof. Die Bepflanzung und Pflege der Baumscheibe vorm Haus kann als „Vorgarten-Ersatz“ fungieren, schafft Freude durch Gemeinschaftsaktionen in der Nachbarschaft, Erholung und nutzt gleichzeitig dem Straßenbaum. Gemeinsam mit den städtischen Ämtern will der NABU die Pflegegrundsätze optimieren, damit auch neu angelegte und kleine Baumscheiben bepflanzt werden können. Auch das Abstellen von Fahrrädern und Autos auf Baumscheiben und die Nutzung als Hundeklo sollte bald der Vergangenheit angehören. Der Wettbewerb für die schönste Baumscheibe wird fortgesetzt, denn der NABU Leipzig möchte das Engagement der Menschen für „ihre“ Baumscheiben würdigen und als positive Beispiele zum Nachmachen aufzeigen.

 

Wir wollen Dich unterstützen. Lass Deine Baumscheibe aufblühen zum Biotop-Trittstein!

 

Die Welt auf einer Scheibe

 

Schritt 1: Säubere Deine Baumscheibe von Müll und Hundekot

 

Schritt 2: Lockere stark verdichteten Boden vorsichtig auf z.B. mit einer Harke

Verzichte auf tiefes Umgraben, das schädigt die Baumwurzeln

Bringe kein Substrat oder Erde auf, das schadet dem Baum und ist meist auch nicht nötig

 

Schritt 3: Streue Blumensamen aus

In der Natur fallen die Samen im Spätsommer und Herbst aus, viele heimische Samen brauchen einen Kältereiz, um zu keimen. Eine Aussaat im Herbst wird deshalb empfohlen

 

Schritt 4: Tritt die Blumensamen fest

Samen brauchen Bodenkontakt, durch Festdrücken wehen sie außerdem nicht weg

 

Schritt 5: Vorsichtig angießen

Pass gut auf, dass die Samen nicht weggeschwemmt werden, Du kannst auch bei Regen Samen ausbringen oder im Herbst auf das Angießen verzichten

 

Schritt 6:  Pflegen und Freuen

In trockenen Sommern kannst Du gießen, das hilft auch Deinem Straßenbaum
Du kannst Müll entfernen
Damit Deine Baumscheibe nicht zum Hundeklo wird, kannst Du ein Schild abholen oder ausdrucken, dann weiß Jede/r, dass sich jemand um die Baumscheibe kümmert

 

 

Pflege

Frühling auf der Baumscheibe: Setze im Herbst Blumenzwiebeln, im Frühjahr bieten sie früh fliegenden Insekten wie Hummelköniginnen Nahrung und zeigen, dass sich die Baumscheibe in Pflege befindet
Sommerliche Blütenpracht: Genieße das Summen und Brummen und die Blütenpracht vor Deiner Haustür, bei anhaltender Dürre kannst Du gießen, das hilft auch dem Straßenbaum.
Herbstliche Stängel: Lass die trockenen Stengel im Herbst stehen, Vögel finden im Winter Samen und Insekten überwintern in Pflanzenstengeln
Schutz im Winter: Damit Deine Baumscheibe im Winter nicht als Hundeklo oder Fahrradständer missbraucht wird, stelle ein Schild auf. So weiß Jede/r, dass sich jemand darum kümmert.

 

Keine Zeit?

Hast Du keine Zeit für die Einsaat und regelmäßige Pflege Deiner Baumscheibe, kannst Du auch die Spontanvegetation belassen. Die meisten heimischen Wildkräuter gelten noch immer als „Unkraut“ und werden fast überall vernichtet. Baumscheiben sind wichtige Rückzugsorte für diese Überlebenskünstler. So kann ohne Zutun ein Beitrag zur Biodiversitätsförderung und auch zum Klimaschutz geleistet werden. Entferne einfach nur den Müll und hol Dir ein Schild „Baumscheibe in Pflege“, um weiteren Müll und Betreten zu vermeiden.

 

Was tun bei Hundeurin

Rund 24.700 Hunde leben in Leipzig (Stand 2022) – Tendenz steigend. Gleichzeitig schrumpfen die Auslaufgebiete und Grünflächen. Vor allem in der Innenstadt bleiben oft nur noch die Straßenbäume fürs tägliche Geschäft. Doch Hundeurin verursacht Ätzschäden an der empfindlichen Rinde, die sich schließlich ablöst und Krankheitserreger und schmarotzende Pilze in den Stamm eindringen lässt. Fäulnis entsteht und Wurzeln werden geschädigt. Die extreme Konzentration von Nährstoffen führt zur Störung des Nährstoffgleichgewichts, zur Stickstoffüberdüngung und schließlich zu Vergiftungen. Die Schäden durch Hundeurin sind irreversibel und gefährden die Standfestigkeit der Bäume.

 

Auch durch die Pflege der Baumscheibe ist sichtbar, dass sich jemand um die Baumscheibe kümmert. Im Winter kannst Du ein Schild aufstellen, um ein Hundeklo zu vermeiden.

 


Was tun bei Trockenheit

Heiße, trockene Sommer und lange Trockenphasen schwächen unsere Straßenbäume. Durch den Trockenstress wird die Photosynthese-Leistung reduziert und die natürlichen Abwehrkräfte des Baumes werden eingeschränkt, so dass schädigende Einflüsse wie Pilze leichtes Spiel haben. Gieße die Baumscheibe bei anhaltender Trockenheit. Nutze dafür am besten anfallendes Regenwasser oder Grauwasser, das spart Kosten und wertvolles Trinkwasser.

 

Heimische Blumen statt Exoten

Krautige Pflanzen auf Baumscheiben beschatten den Boden und schützen so vor Austrocknung, mindern Substratabtrag als Windschutz, durchlüften durch Wurzeln den Boden und können vorhandenes Bodenleben fördern. Heimische Blütenpflanzen auf Baumscheiben bieten verschiedenen Insektenarten wie Schwebfliegen, Wildbienen, Käfern und Co. Nahrung. Viele Insekten sind auf bestimmte Pflanzen angewiesen, deshalb sollten möglichst heimische Arten verwendet werden. Exoten und einjährige Arten helfen nur wenigen unspezialisierten und häufigen Arten.

 

Auf Kultursorten sollte man verzichten! Pflanzenarten wie Kalifornischer Goldmohn, Silberkraut und Löwenmäulchen, dienen als Zierstauden dem menschlichen Auge, sind aber kein Beitrag für die Förderung der Artenvielfalt, denn das Blütenangebot kann nur von nicht spezialisierten Insekten wie Hummeln oder von der Honigbiene genutzt werden. Gefährdeten Wildbienen und anderen heimischen Insekten kann man damit nicht helfen.

 

 

Aussaat statt Pflanzung

Samen werden naturgemäß im Herbst ausgebracht, zu dieser Zeit fallen sie auch in der Natur aus. Viele heimische Pflanzenarten benötigen einen Kältereit, um zu keimen. Damit die Baumscheiben im Stadtgebiet von Leipzig ein vielfältiges Nahrungsangebot für Insekten bieten, wurde eine eigene Regio-Saatgutmischung entwickelt. Saatgut ist gegenüber Pflanzungen vorzuziehen, denn Samen etablieren sich besser als gepflanzte Blumen. Mit Pflanzungen sind außerdem vermeidbare Ressourcen verbunden. Die Pflanzen werden in Gewächshäusern, meist unter Anwendung von Pestiziden produziert und anschließend in Plastiktöpfen transportiert.

 

Leipziger Baumscheibensaat

Ab September, zum geeigneten Aussaattermin, wird der NABU Leipzig eine speziell für Baumscheiben erstellte Saatgutmischung ausgegeben, die Baumscheibensaat. Heimische Pflanzensamen fallen in der Natur im Spätsommer und Herbst aus und etablieren sich dadurch besser als Einsaaten im Frühjahr. Viele Samen benötigen zudem einen Kältereiz und die Aussaat ab Herbst spart das aufwändige Gießen. Die Baumscheibensaat kann ab 1. September in der Naturschutzstation des NABU Leipzig in Gohlis abgeholt werden.

 

Die Samenmischung enthält folgende Arten:

Kornrade
Färberkamille
Barbarakraut
Nesselblättrige
Glockenblume

Nickende Distel
Wiesen-Flockenblume
Wegwarte
Wirbeldost
Wiesen-Pippau
Wilde Möhre

Wilde Karde
Natternkopf
Wiesen-Storchschnabel
Pyrenäen-Storchschnabel
Johanniskraut
Acker-Witwenblume

 

Mariendistel
Ackersenf
Wiesenklee

 

Agrostemma githago 3
Anthemis tinctoria 30
Barbarea vulgaris 10
Campanula trachelium 300

 


Carduus nutans 20
Centaurea jacea jacea 5
Cichorium intybus 10
Clinopodium vulgare 30
Crepis biennis 20
Daucus carota 20

Dipsacus fullonum 10
Echium vulgare 20
Geranium pratense 10
Geranium pyrenaicum 30
Hypericum perforatum 100
Knautia arvensis 5

 

Sylibum marianum 5
Sinapis arvensis 5
Trifolium pratense 5

 

Echtes Herzgespann

Wiesen-Margerite
Österreichischer Lein
Hornklee
Moschus-Malve
Zitronen-Melisse

 

Gemeine Nachtkerze
Echter Dost
Klatschmohn
Sprossende Felsennelke
Mittlerer Wegerich
Scharfer Hahnenfuß
Wiesensalbei
Seifenkraut
Herbst-Löwenzahn
Rote Lichtnelke
Weiße Lichtnelke
Taubenkropf-Leimkraut

Kleinblütige Königskerze

 

Leonurus cardiaca 20

Leucanthemum vulgare 200
Linum austriacum 50
Lotus corniculatus 50
Malva moschata 30
Melissa officinalis 10

 

Oenothera biennis 30
Origanum vulgare 50
Papaver rhoeas 20
Petrorhagia prolifera 50
Plantago media 30
Ranunculus acris 20
Salvia pratensis 30
Saponaria officinalis 10
Scorconeroides autumnalis 50
Silene dioica 10
Silene latifolia ssp alba 5
Silene vulgaris 10

Verbascum thapsus 50

 


Dos & Don'ts

  • Bäume, die von einem schützenden Dreibock umgeben sind, deuten auf eine Neupflanzungen hin. Innerhalb dieses Bereiches sollte nicht gepflanzt oder eingesät werden. Die Pflanzen können den wachsenden Baumwurzeln sonst zur Konkurrenz werden.
  • Jedes Jahr findet eine sogenannte „Baumschau“ statt. Damit ein freier Blick auf den Stamm möglich
    ist, kannst du etwas Platz um den Stammfuß des Baumes freilassen.
  • Hohe Einfassungen, Hochbeete, Blumentöpfe und andere Stolperfallen werden aus Verkehrssicherheits gründen entfernt.
  • Kletterpflanzen und Sträucher sollten nicht auf Baumscheiben mit Straßenbäumen gepflanzt werden. Sie stellen Konkurrenz für den Baum dar.
  • Verletzungen des Baumes am Stamm oder an der Wurzel sind zu vermeiden.
  • Saatgut ist gegenüber Pflanzungen vorzuziehen, denn Samen etablieren sich besser als gepflanzte Blumen. Mit Pflanzungen sind außerdem vermeidbare Ressourcen verbunden. Die Pflanzen werden in Gewächshäusern (meist unter Anwendung von Pestiziden) produziert. Anschließend transportiert man sie in Plastiktöpfen.
  • Heimische Blumen statt Exoten: Viele Insekten sind auf bestimmte Pflanzen angewiesen, deshalb sollten möglichst heimische Arten verwendet werden. Exoten und einjährige Arten helfen nur wenigen unspezialisierten und häufig auftretenden Tieren.
  • Damit der Blick auf die Straße frei bleibt, sollte die Vegetation auf deiner Baumscheibe nicht höher als 70 cm sein.

Baumscheiben können offiziell begrünt werden, aber wie? Antworten bietet der Baumscheiben-Flyer des NABU Leipzig. Er ist erhältlich in der NABU-Naturschutzstation (Corinthstraße 14) und im Umweltinformationszentrum der Stadt Leipzig. Enthalten sind alle wichtigen Informationen, um eine eigenen Baumscheiben zu bepflanzen und somit aktiv zur Förderung der Biodiversität beizutragen. Der Flyer steht auch als Download zur Verfügung.

 


WEITERE INFORMATIONEN


Biodiversität auf Baumscheiben

 

Lange Zeit wurde der Bewuchs auf ihnen rigoros entfernt, doch der NABU hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass diese Praxis geändert wurde und setzt nun ein preisgekröntes Projekt fort, mit dem die naturschutzgerechte Baumscheibenpflege in Leipzig gefördert werden soll. Informationsmaterialien, eine Samenmischung, ein Wettbewerb sowie ein Vortrag am 17. Mai 2023 sind dafür geplant. mehr