Bei den sogenannten Kiebitzinseln handelt es sich um Brachflächen, die einmal jährlich nach der Brutzeit gemäht werden. Sie werden weder gedüngt noch mit Pflanzenschutzmitteln behandelt. Im Zeitraum Dezember bis Februar werden die Flächen noch einmal aufgeraut bzw. umgegrubbert, falls die Vegetation für die brutwilligen Kiebitze bei warmem Herbst- oder Winterwetter zu hoch aufgewachsen ist. Kiebitze benötigen zum Brüten vegetationslose bis schütter bewachsene Flächen bis max. 20 Zentimeter Höhe. Diese Vegetationshöhe entspricht ihren ursprünglichen Habitaten – Mooren, Flussauen und Feuchtwiesen.
An der Gärnitzer Lache werden im Zeitraum 2024 bis 2027 jährlich ein bis zwei solche Kiebitzinseln angelegt. Auf dem östlich angrenzenden Acker handelt es sich um eine zwei Hektar große Insel,
die über die vier Jahre bestehen bleibt. Für das dritte Jahr wird außerdem eine ein Hektar große Kiebitzinsel auf dem nördlich angrenzenden Acker angelegt.
Bereits seit einigen Jahren brüten Kiebitze auf den Feldern rund um die Gärnitzer Lache, wenn dort entsprechend niedrigwüchsige oder spät eingesäte Kulturen wie zum Beispiel Mais angebaut wurden. Für die Jahre 2022 bis 2024 gab es diesbezüglich zwischen den drei angrenzenden Landwirten, der Naturschutzbehörde und dem NABU die Vereinbarung, dass auf einer der angrenzenden Flächen Mais angebaut wurde bzw. werden soll, um den Kiebitz weiterhin in Gärnitz zu halten. Gleichzeitig wurden bzw. werden die Flächen von NABU-Aktiven von März bis Juni/Juli überwacht, um bei Brutbeginn die Nester abzustecken. Dies ist notwendig, damit der Landwirt bei Bearbeitungsgängen auf dem Maisfeld die Nester umfährt.
Das Abstecken der Nester mit dem Ziel des Umfahrens ist bei den neuen Brachflächen nicht mehr zwingend notwendig, da die Flächen in der Brutperiode ohnehin nicht befahren werden dürfen. Für alle Regelungen hat der NABU Leipzig mit der Agrargenossenschaft Kitzen einen Vertrag abgeschlossen. Für die Anlage von einjährigen Brachflächen erhalten Landwirte im Rahmen der Agrar-, Umwelt- und Klimamaßnahmen (AUK) nur eine Zahlung von 114 Euro je Hektar. Da dies eine überaus geringe Summe ist, handelt es sich keineswegs um einen finanziellen Anreiz. Schließlich verzichtet der Landwirt beim Anlegen einer Brache auf den gesamten Ernteertrag. Überdies hat der NABU noch weitere Vereinbarungen für die vier Jahre getroffen, die explizit auf den Kiebitz ausgerichtet sind.
Aus den genannten Gründen kam eine größere Privatspende für den Kiebitz beim NABU Sachsen genau zum richtigen Zeitpunkt. Nun kann die Agrargenossenschaft Kitzen für das Anlegen der Brachflächen
finanziell unterstützt werden, wodurch schlussendlich das gemeinsame Projekt zustande kam.
Die sogenannten Kiebitzinseln oder Kiebitzbrachen werden seit vielen Jahren in Deutschland erfolgreich erprobt. Auch beim sächsischen Bodenbrüterprojekt (2009-2013) konnten hierzu wertvolle Erfahrungen gesammelt werden. In die Broschüre „Hilfe für den Kiebitz – Praxishandbuch für Maßnahmen in Sachsen“ aus dem Jahr 2019 sind die Erfahrungen eingeflossen. Die vom Förderverein Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz herausgegebene Broschüre richtet sich an Naturschutzvereine, Ornithologen, Landwirte, Naturschutzbehörden und Landwirtschaftsämter. Sie legt die rechtlichen, planerischen und fachlichen Grundlagen für einen effektiven Kiebitzschutz dar. So wird neben der Anlage von Kiebitzinseln der rechtliche Schutz gegen das Überfahren von Kiebitznestern auf landwirtschaftlichen Flächen erläutert und es werden Hinweise zum Abstecken von Nestern gegeben. Ein Kapitel widmet sich der Schaffung staunasser Bereiche auf Äckern und Grünland. Des Weiteren geht es um eine auf den Kiebitz ausgerichtete Anpassung der Bewirtschaftung, um Prädatorenmanagement und um Fördermöglichkeiten.
Das sächsische Bodenbrüterprojekt hat neben dem Bruterfolg für den Kiebitz gezeigt, dass eine ganze Reihe weiterer Brutvogelarten von den angelegten Kiebitzinseln profitiert haben. Hierbei handelte es sich häufig um Rote-Liste-Arten. Aber auch für Nahrungsgäste und seltene Wildkräuter boten die Brachen gute Bedingungen. Der NABU Leipzig ist deshalb gespannt auf die kommenden Jahre in Gärnitz und wird über die Entwicklungen berichten.
Zum Erhalt der Gärnitzer Lache als Kiebitzbrutgebiet ist eine jährliche Mahd mit der Entfernung junger Weiden unerlässlich. Fotos: Michael Dech
An dieser Stelle soll noch erwähnt werden, dass die eigentliche Gärnitzer Lache seit der Zusammenarbeit mit dem Landwirt kiebitzgerecht gepflegt wird. Bei der jährlichen Mahd oder dem Mulchen wird die neu aufgewachsene Vegetation einschließlich der zahlreichen einzelnen Weiden entfernt und abtransportiert. Der NABU Leipzig hofft auf eine Förderung zum Entfernen eines jungen Weidenwäldchens innerhalb der Lache. Eine Fachfirma würde dann die Weiden samt Wurzeln herausziehen und abtransportieren. Damit soll die für den Kiebitz nutzbare (Wasser-)fläche vergrößert bzw. wiederhergestellt werden, da die Art weite offene Landschaften benötigt.
WEITERE INFORMATIONEN
Der Kiebitz war einst weit verbreitet, doch er hat seinen Lebensraum mehr und mehr verloren durch Entwässerung, Aufforstung, Trockenlegung von Mooren, intensive Grünlandnutzung, industrielle Landwirtschaft, Insektensterben und Klimawandel, aber auch durch intensive Freizeitnutzung von einstigen Brutgebieten. Der NABU Leipzig setzt sich für den Schutz der letzten Nistplätze in der Region ein und arbeitet für die Schaffung neuer Brutmöglichkeiten. mehr
Der Kiebitz hat die Wahl zum Vogel des Jahres gewonnen. Die Menschen haben damit einen Vogel gewählt, der durch die Trockenlegung von Feuchtwiesen und durch intensive Landwirtschaft in vielen Gegenden massiv zurückgegangen ist. Der NABU Leipzig setzt sich für den Schutz der letzten Nistplätze in der Region ein und arbeitet für die Schaffung neuer Brutmöglichkeiten. mehr