Rettung für den Kiebitz im Raum Leipzig

Wiedervernässungsprojekt des NABU

Der Kiebitz (Vanellus vanellus), früher eine sehr häufig vorkommende Vogelart in Deutschland, brütet in Sachsen immer seltener; in den letzten 40 Jahren ist der Bestand um 95% eingebrochen. In Sachsen gibt es nach aktuellen Schätzungen maximal noch 100 Brutpaare. Diese Zahlen sind alarmierend. Wenn wir die Kiebitze jetzt nicht unterstützen, wird sich die Art in Sachsen nicht mehr langfristig halten können. Dabei ist es relativ einfach, die Kiebitze zu schützen, wenn man ein paar Voraussetzungen in unserer Feldflur schaffen würde.

 

Auf einer Ackerfläche südlich von Leipzig wird ein Brutgebiet für Kiebitze wiederhergestellt. Drohnenaufnahme: Philipp Drosky, 11.10.2022
Auf einer Ackerfläche südlich von Leipzig wird ein Brutgebiet für Kiebitze wiederhergestellt. Drohnenaufnahme: Philipp Drosky, 11.10.2022

Im Südraum von Leipzig befindet sich inmitten einer Ackerfläche ein 5,83 Hektar großes Gebiet, das eine optimale Chance bietet, für den Kiebitz eine Art Hotspot zu schaffen, damit dieser wieder erfolgreich brüten kann. Bis vor etwa fünf Jahren befand sich auf dieser aus der Nutzung genommenen Fläche regelmäßig Wasser und hier war eines der wichtigsten Kiebitzbrutgebiete in Sachsen, mit bis zu 20 Brutpaaren. Aufgrund verschiedener Ursachen ist die Fläche trockengefallen. Mittlerweile war das Gebiet relativ eben ohne nennenswerte Vertiefungen und wurde einmal im Jahr durch den Landwirtschaftsbe­trieb gemulcht. Der Kiebitz und andere auf Wasser angewiesene Wiesenbrüter konnten nach dem Austrocknen der Fläche nicht mehr erfolgreich brüten. Da das Gebiet aber weiterhin nicht mehr landwirtschaftlich genutzt wird, bot sich hier die sehr gute Möglichkeit, durch ein Vernässungsprojekt wieder Wasser in die Fläche zu bekommen.

 

Planungsskizze: Philipp Drosky
Planungsskizze: Philipp Drosky

Der NABU-Regionalverband Leipzig hat deshalb ab Ende 2021 einen Plan zur Wiedervernässung entwickelt und kooperierte für die Realisierung mit einem Planer (Naturgarten Leipzig), einem ausführenden Fachbetrieb (GaLaO) und mit der Agrarproduktion Elsteraue GmbH sowie mit der NABU-Regionalgruppe Südraum Leipzig und der Naturschutzbehörde des Landkreises Leipzig. Die Größe der Fläche sollte etwa 1 Hektar betragen. Als zentraler Punkt entstand eine Kiebitzinsel von circa 20 Quadratmetern. Um diese Kiebitzinsel herum wurden verschieden tiefe Senken mit flach auslaufenden Ufern (max. 20 Prozent Neigungswinkel) angelegt. Da sich kein natürlicher Wasserzulauf auf der Fläche befand, musste überlegt werden, wie das Wasser zumindest bis Juni/Juli in den Senken gehalten werden kann. Hierzu wurde die Möglichkeit des Einbringens einer lehmhaltigen Schicht und Folie besprochen. Zudem mussten die Vertiefungen dort angelegt werden, wo bis zum Jahr 2018 noch Wasser in der Fläche vorhanden war. Die Vertiefungen sollten max. 1 Meter bis 1,50 Meter sein. Vorteilhaft für das Projekt war der bereits vorhandene lehmhaltige Boden, sodass die gute Möglichkeit bestand, dass das Wasser in der Fläche verbleiben würde. Der Aushub sollte auf der Fläche verteilt werden, um eine größere Schwarzbrache zu schaffen.

 

Bauarbeiten für die Herstellung der Wasserflächen. Fotos: Michael Dech

 

Vor der Umsetzung des Projektes waren Verhandlungen mit dem Landwirtschaftsbetrieb nötig. Diese zogen sich über fünf Monate hin, da es sich hier um einen großen Eingriff auf der Fläche handelte. Es mussten verschiedene Punkte abgestimmt werden. Wichtig war der Eigentümerin unter anderem der Abstand zur landwirtschaftlich genutzten Fläche (mindestens 20 Meter) sowie die flach auslaufenden Ufer, damit das Gebiet weiterhin durch die Maschinen genutzt werden kann. Deshalb durften auch die in der Nähe verlaufenden Wassergräben nicht mit Erde befüllt werden. Insgesamt zeigte die Eigentümerin eine hohe Gesprächsbereitschaft und Entgegenkommen. Ohne die Unterstützung und Bereitschaft der Agrarproduktion Elsteraue wäre eine erfolgreiche Umsetzung der Maßnahme nicht möglich gewesen. Fördermittel des Freistaats (RL 2014/NE, Artenschutzmaßnahme) ermöglichten die Finanzierung des Projektes, alle Kosten mussten allerdings vom NABU Leipzig vorfinanziert werden.

 

Nach einigen Regentagen hatte sich bereits Wasser in einigen der fertiggestellten Flächen gesammelt. Fotos: Michael Dech

 

Prädatorendruck: Am Rande der Fläche befindet sich beispielsweise dieser Fuchs- oder Dachsbau. Foto: Michael Dech
Prädatorendruck: Am Rande der Fläche befindet sich beispielsweise dieser Fuchs- oder Dachsbau. Foto: Michael Dech

Nachdem alle Genehmigungen eingeholt wurden und das Projekt auf sicheren finanziellen Füßen stand, konnte mit der Umsetzung im November 2022 begonnen werden. Für die Bauphase wurden 10 Arbeitstage eingeplant. Beginn der Bauarbeiten war der 21.11.2022. In den ersten Tagen wurden die Vertiefungen ausgehoben, die Firma GaLaO nutzte dafür einen Bagger und einen Radlader. Insbesondere die große zusammenhängende Vertiefung benötigte in den ersten Tagen die meiste Arbeitszeit. Das Erdreich wurde genutzt, um die Kiebitzinsel anzulegen. Die nächsten Schritte beinhalteten die Anlage der weiteren Vertiefungen, die mit Lehm und Folie ausgestattet wurden. Insgesamt wurden vier Vertiefungen angelegt, jede hat eine Fläche von 11 x 8 Metern. Im weiteren Verlauf wurden die Lehmflächen mit einer Schicht Erde bedeckt und angedrückt. Danach wurden die Ufer flach auslaufend gestaltet sowie die Kiebitzinsel als leicht erhöhtes Plateau angelegt. Die einzeln angelegten Flächen wurden durch Gräben miteinander verbunden. Die letzten Arbeitstage wurden vor allem dazu genutzt, den Aushub auf der Fläche ebenmäßig zu verteilen. Da sich die Lieferung des Lehms etwas verzögerte, musste die Arbeitszeit um zwei Tage verlängert werden. Am 6.12.2022 wurden die Bauarbeiten erfolgreich abgeschlossen.

 

Nach einigen Regentagen hatte sich bereits Wasser in einigen der ausgehobenen Flächen gesammelt und es ist zu hoffen, dass es im Winter und Frühjahr ausreichend regnet. Falls nicht genug Regen fällt, müssen alternative Maßnahmen überlegt werden, wie zum Beispiel die Belieferung mit Wassertanks.

 

Insgesamt kann die Wiedervernässungsmaßnahme als erfolgreich abgeschlossen angesehen werden, dennoch sind weitere Schritte für eine dauerhafte Ansiedlung der Kiebitze notwendig, beispielsweise der Bau eines 

Schutzzauns. Aufgrund des fehlenden ökologischen Gleichgewichts in der Feldflur beispielsweise durch den erhöhten Prädatorendruck (Füchse, Waschbären) sowie der geringen Zahl der Kiebitzbrutbestände sind diese mittlerweile nicht mehr selbsterhaltend. Damit sich der Kiebitzbestand stabilisieren kann, ist daher der zumindest temporäre Bau eines Weideschutzzauns notwendig. So konnte bei einem Wiesenbrüterprojekt in Hessen der Bruterfolg der Kiebitze auf 5 Hektar nach dem Bau eines Weideschutzzauns auf 65 Brutpaare erhöht werden. Der NABU Leipzig plant daher einen zweiten Schritt im Kiebitzschutzprojekt, den Bau eines Knotengitterzauns, der die gesamte Fläche schützen und mindestens für 10 Jahre bestehen bleiben soll. Die Planung und die Finanzierung für den zweiten Teil des Projektes hat bereits begonnen. Zur Sicherstellung der Finanzierung bittet der NABU Leipzig um Spenden

 


WEITERE INFORMATIONEN


Foto: Beatrice Jeschke
Foto: Beatrice Jeschke

Hilfe für die letzten Kiebitze der Region

 

Der Kiebitz war einst weit verbreitet, doch er hat seinen Lebensraum mehr und mehr verloren durch Entwässerung, Aufforstung, Trockenlegung von Mooren, intensive Grünlandnutzung, industrielle Landwirtschaft, Insektensterben und Klimawandel, aber auch durch intensive Freizeitnutzung von einstigen Brutgebieten. Der NABU Leipzig setzt sich für den Schutz der letzten Nistplätze in der Region ein und arbeitet für die Schaffung neuer Brutmöglichkeiten. mehr