Zwischen Sonnenwende und Gänsebraten

Heilkräuter auf der NABU-Streuobstwiese Knauthain

Die NABU-Streuobstwiese Knauthain wird im Rahmen des Schmetterlingswiesenprojekts "Puppenstuben gesucht" insektenfreundlich gepflegt. Foto: René Sievert
Die NABU-Streuobstwiese Knauthain wird im Rahmen des Schmetterlingswiesenprojekts "Puppenstuben gesucht" insektenfreundlich gepflegt. Foto: René Sievert

Die NABU-Streuobstwiese Knauthain wird insektenfreundlich gepflegt. Dadurch soll sich zwischen den Obstbäumen auch eine Vielfalt an Gräsern und Kräutern entwickeln. Diese Pflanzenvielfalt ist aber nicht nur nützlich für Insekten, viele Kräuter sind auch für den Menschen kleine Helfer, zum Beispiel als Heilpflanzen. Um einige Kräuter und ihre Nutzung vorzustellen, hatte der NABU Leipzig am 25. August 2019 zur Heilpflanzenexkursion eingeladen. Exkursionsleiter Jens Franke ist erfahrener Gärtner und Kernobstexperte und beschäftigt sich zudem mit der Wirkung und Geschichte von Heilpflanzen. 

 

Heilkräuterinformationen im Schatten der Obstbäume. Foto: Ludo Van den Bogaert
Heilkräuterinformationen im Schatten der Obstbäume. Foto: Ludo Van den Bogaert

Ein Dutzend Pflanzenfreunde folgten der Einladung des NABU; sie trafen sich an dem heißen Sonnentag auf der NABU-Streuobswiese. Deshalb fand zunächst kein Rundgang über die Wiese statt, vielmehr versammelten sich alle im Schatten eines Pflaumenbaums und lauschten den Ausführungen des Experten. Bevor er zum Abschluss des Tages bei einem Rundgang noch einige Pflanzen kurz vorstellte, nutzte er zunächst das Schattenplätzchen, um ausführlich über Beifuß zu sprechen.

 

Gänsebraten und Energiefluss

Beifuß. Foto: Ludo Van den Bogaert
Beifuß. Foto: Ludo Van den Bogaert

Beifuß kennen die meisten als Gewürz für den Gänsebraten, er ist bitter und würzig. Doch die Pflanze ist darüber hinaus ein wichtiger Begleiter der Menschen in unserer Region. Beifuß, erzählte Jens Franke, wächst seit der letzten Eiszeit bei uns. Seitdem hier Menschen leben, haben sie dieses Kraut als Heil- und Würzpflanze genutzt – vielleicht auch, um Gänsebraten zu würzen, doch die eigentliche Wirkung liegt darin, „alles fließen zu lassen“, erklärte Jens Franke. „Ins Fließen“ kommen beispielsweise Verdauungssäfte, Blut und Energieflüsse.

 

Die Bitterstoffe im Beifuß fördern Magen, Galle und Verdauung sowie die Dünndarmtätigkeit. Ernten sollte man den Beifuß kurz vor der Blüte, meist Ende Juli. Die Blüten sind allerdings klein und nicht leicht zu erkennen, obwohl der Beifuß zu den Korbblütengewächsen gehört, die für ihre prächtigen Blütenstände bekannt sind, wie zum Beispiel die Sonnenblume.

 

Die Beifußzweige werden gepflückt und im Schatten luftig getrocknet. Als Gewürz nutzt man nur die abgestreiften Blüten, die Blätter hingegen sind bitter, damit aber für die Zubereitung von Tee geeignet, wofür man etwa ein bis zwei Teelöffel für eine Tasse verwendet. Der Tee fördert die Verdauung. Beifuß gilt als „heißes Kraut“, das den Energiefluss fördert und sich daher auch für ein Fußbad eignet.

  

Kanadische Goldrute. Foto: René Sievert
Kanadische Goldrute. Foto: René Sievert

Beifuß lässt zudem das Blut fließen, berichtete Jens Franke, fördert beispielsweise Monatsblutungen, sodass dieses Kraut möglicherweise auch für die Familienplanung genutzt wurde. Wegen seiner potenziell abtreibenden Wirkung sowie wegen möglicher Allergien wird Beifuß heute als Heilkraut allerdings nicht mehr im großen Stil verwendet.

 

Neben der medizinischen Wirkung wird Beifuß auch eine spirituelle Wirkung zugeschrieben. Das Kraut gehörte bei den Germanen zu den Kultpflanzen, die bei Sonnenwendfeiern verbrannt wurden, um sich im neuen Jahr vor Leid zu schützen. Zudem kann man Beifuß als Räucherpflanze abbrennen.

 

Neophyt mit Nutzen

Die bei uns heimische Echte Goldrute unterscheidet sich im Aussehen recht deutlich von der Kanadischen Goldrute. Foto: René Sievert
Die bei uns heimische Echte Goldrute unterscheidet sich im Aussehen recht deutlich von der Kanadischen Goldrute. Foto: René Sievert

Im Schatten des Obstbaums stellte Jens Franke als nächstes noch die Kanadische Goldrute vor, die auf der Wiese großflächig wächst. Es handelt sich um einen Neophyt, der sich erst seit dem 20. Jahrhundert bei uns ausbreitet. Die Goldrute entwickelte sich zu einer regelrechten Landplage, da sie hier gute Wachstumsbedingungen vorfindet, gleichzeitig gibt es aber keine Fressfeinde. Es ist anzunehmen, dass man diese invasive Pflanzenart nicht wieder aus der heimischen Natur entfernen kann. 

 

Der Neophyt hat eine positive Seite: Man kann die Kanadische Goldrute vielseitig als Heilpflanze verwenden. Sie stärkt die Nieren und regt sie an, wirkt antimykotisch sowie bei Rheuma und Entzündungen. Zum Trocknen nutzt man am besten einen Backofen, denn sonst würden die abgeschnittenen Blütenstände bis zum Aussamen weiterwachsen. 

 

Um darauf hinzuweisen, dass es auch eine heimische Goldrute gibt, hatte Jens Franke ein Exemplar im Blumentopf mitgebracht. Die „Echte Goldrute“ oder „Gewöhnliche Goldrute“ unterscheidet sich in ihrem Wuchs recht deutlich von der nordamerikanischen Verwandten, ist aber ebenfalls eine Heilpflanze, die man auf vielfältige Art verwenden kann. 

 

Wilde Karde. Foto: René Sievert
Wilde Karde. Foto: René Sievert

Stacheln und Alkohol

Die Wilde Karde ist eine stachelige Pflanze, die ebenfalls an vielen Stellen auf der NABU-Streuobstwiese wächst. Sie hat einen langen Stängel und oben den stacheligen Blüten- bzw. Samenstand. So sieht diese zweijährige Pflanze allerdings nur im zweiten Lebensjahr aus, im ersten ist sie eine blütenlose Rosettenpflanze, die man gar nicht so einfach finden und erkennen kann. Die Wurzel dieser Rosettenpflanze kann man im Herbst oder Winter oder spätestens im Frühling des zweiten Lebensjahrs nutzen, um daraus eine Tinktur herzustellen. Das bedeutet, dass man sie in Alkohol einlegt und dann die Tinktur tropfenweise nutzt. Bei dieser Gelegenheit erklärte Jens Franke, dass man für Tinkturen aus Wurzelteilen etwa 40-prozentigen Alkohol verwendet, bei krautigen Pflanzenteilen 30-prozentigen und bei holzigen Teilen auch bis zu 60-prozentigen.

 

Die Tinktur kann angeblich bei der Behandlung von Borreliose helfen. Traditionelle wurde die Karde hingegen zum „Kardieren“ von Wolle eingesetzt.

 


Gegen Husten und Wunden

Um noch mehr Heilpflanzen zu suchen, begann nun ein kleiner Rundgang über die Wiese. Dabei steuerte Jens Franke zunächst das Seifenkraut an. Bereits im Vorjahr hatte er es bei einer NABU-Veranstaltung entdeckt, es ist weit und breit der einzige bekannte Standort. Die Saponine im Seifenkraut kann man tatsächlich zum Waschen von Körper oder Wäsche nutzen, zudem kann man aus den krautigen Teilen oder auch aus der Wurzel einen Auszug herstellen, der bei Husten und Lungenkrankheiten verwendet werden kann.

 

Noch besser geeignet bei Lungenerkrankungen ist jedoch Spitzwegerich, der reichlich auf der NABU-Streuobstwiese zu finden und auch sonst recht häufig ist. Man kann ihn beispielsweise als Sirup gegen Bronchitis verwenden. Dazu setzt man gequetschte Blätter mit unraffiniertem Zucker an, was man durchaus zwei bis drei Monate ziehen lassen kann. Wer daran glaubt, kann das Gefäß dafür laut Jens Franke auch an einem „Energieort“ vergraben, um die Wirkung zu steigern. Ernten sollte man Spitzwegerich maximal bis Mariä Himmelfahrt.

 

Seifenkraut, Spitzwegerich und Schafgarbe. Fotos: René Sievert

 

Ebenso reichlich wie Spitzwegerich wächst Schafgarbe auf der Streuobstwiese. Sie kann unter anderem bei Verdauung, Wundheilung und „Frauenleiden“ helfen, beispielsweise als Tinktur oder als Salbe.

 

Dornen gegen Dämonen

Brombeere. Foto: René Sievert
Brombeere. Foto: René Sievert

Zuletzt steuerte Jens Franke die wuchernde Brombeerhecke am Rande der Wiese an. Brombeeren haben eine „starke Lebensenergie“ erklärte der Experte, was man den Ranken auch unschwer ansehen kann. Die Früchte können Vitamine und Antioxidantien liefern, aus den Blättern kann man Tee zubereiten. Er wirkt blutdrucksenkend und als Einschleuser für Kupfer. Außerdem werden Brombeerblätter ähnlich wie Erdbeerblätter auch häufig als preiswertes „Füllmaterial“ in Teemischungen eingesetzt.

 

Spirituell betrachtet sollen Brombeeren Dämonen und böse Geister abwehren, die sich in den Ranken verfangen, weshalb sie früher in der Umgebung von Häusern und Gärten unverzichtbar waren. In den heute oft sterilen Gärten, die gelegentlich nur aus Kieselsteinen und Ziergehölzen bestehen, fehlen die wuchernden Brombeeren. Solche Gärten sind kein Lebensraum mehr für heimische Tiere. Und welche Folgen hat das für die geistige Gesundheit? Wenn wuchernde Brombeeren fehlen, geben wir vielleicht Dämonen freien Zugang, gab Jens Franke zu bedenken.

 

Exkursionsleiter Jens Franke mit Kanadischer und Echter Goldrute. Foto: Ludo Van den Bogaert
Exkursionsleiter Jens Franke mit Kanadischer und Echter Goldrute. Foto: Ludo Van den Bogaert

Einladung zur Wiesenmahd mit Sensenkurs

Zur insektenfreundlichen Pflege der NABU-Streuobstwiese Knauthain gehört auch eine insektenfreundliche Mahd, die in diesem Jahr am 29. September stattfinden wird. Zu diesem Arbeitseinsatz sind alle Naturfreunde herzlich eingeladen. Treffpunkt dafür ist um 9 Uhr. Nach einem Sensenkurs wird ein Teil der Wiese gemeinsam mit Handsensen gemäht, um sie für die Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten. 

 

Wiesenmahd in Plaußig

Auch das NABU-Biotop Plaußig wird im Rahmen des  Projekts „Puppenstuben gesucht“ insektenfreundlich gepflegt. Hier ist die Mahd der Wiese am 25. und am 28. September geplant, Beginn ist jeweils um 10 Uhr. Treffpunkt: Winzerweg / Ecke Merkwitzer Landstraße. Der NABU bittet auch für diese Arbeitseinsätze um tatkräftige Unterstützung, alle Naturfreunde sind herzlich dazu eingeladen!