Urbane Räume sind in der Zeit des Artensterbens für viele Tierarten zu Rückzugsräumen geworden, sind häufig struktur- und artenreicher als das Umland. Doch diese Stadtnatur ist gefährdet. Gerade Leipzig wächst aktuell wie keine andere Stadt in Deutschland. Durch die damit verbundene Bebauung von Grünflächen und Stadtbrachen schwinden die Lebensräume für Tiere. Diese rücksichtslose Art der Stadtentwicklung ignoriert, dass die Stadtnatur mit ihren Ökosystemleistungen in Zeiten von Klimakrise und Artensterben immer wichtiger wird.
Im Alltag gibt es Konflikte zwischen Stadtplanung und Naturschutz, die sich an Vorkommen von geschützten Tierarten im Planungsgebiet entlanghangeln und meist die bestehende Planung erheblich verzögern und verteuern, wenn Artvorkommen entdeckt werden. Bei großen Bauvorhaben kommen rechtliche Vorgaben wie die Eingriffsregelung zum Tragen, diese berücksichtigen jedoch nur die geschützten Tierarten, die bereits vorhanden sind. Zum Erhalt der biologischen Vielfalt sollten jedoch auch weitere Tierarten eingebunden werden, welche wiederum andere Arten fördern, sodass kleine Ökosysteme im gesamten Stadtgebiet entstehen – man spricht von Ecosystem Aided Design (EAD).
Mit einer frühzeitigen Beachtung des Artenschutzes und der erweiterten Berücksichtigung ausgewählter Tierarten (Schirmarten) bereits in der Planungsphase kann die Biologische Vielfalt im Stadtgebiet erhalten und sogar verbessert werden. Es geht darum, bereits frühzeitig, in der Entwurfsphase, ein artenreiches Wohn-, Arbeits- oder Freiraumumfeld vorzusehen und durch einfache Maßnahmen umzusetzen. Hierzu kann das Konzept Animal Aided Design (AAD) – das bedeutet etwa „tierunterstützende Gestaltung“ – ein wichtiger Baustein für die Stadtplanung sein. Mit diesem Konzept werden Bedürfnisse von Tierarten in die Planung und Gestaltung städtischer Freiräume einbezogen.
Häufig finden sich insbesondere bei Neubauvorhaben „moderne“ Glasfassaden, welche die damit verbundenen Probleme mit Vogelschlag ignorieren und teure Nachbesserungen erforderlich machen. Phantasielose glatte Betonfassaden (ohne Nischen für Hausrotschwanz), Rollrasen (ohne Nektar und Pollen als Nahrungsquellen für Insekten) und ein einzelner Säulenbaum (kein Brutplatz für Vögel) sind ebenso oft das Ergebnis einer veralteten und einfallslosen planerischen Sicht. Darunter leiden nicht nur die Tiere sondern auch der Mensch, wenn kein Vogelzwitschern oder Grillenzirpen mehr zu hören ist. Um Tiere als Bestandteil der Stadt zu verstehen, sollte zukünftig Animal Aided Design für alle Bauplanungen verbindlicher Standard in der Stadtplanung sein!
Im Januar 2019 nahmen Mitglieder des NABU Leipzig an einer Fachtagung zum AAD-Konzept teil und fassten den Entschluss, um einen Beitrag gegen das fortschreitende Artensterben zu leisten, dieses
Konzept aufzugreifen und insbesondere bei kommunalen Bauvorhaben verstärkt einzubringen, aber auch selbst entsprechende Maßnahmen der Biotopgestaltung umzusetzen. Der NABU Leipzig bietet seitdem
besonders bei Sanierungs- und Neubauvorhaben sowie bei Freiraumgestaltungen seine fachliche Expertise zu Artenschutzmaßnahmen nach den Prinzipien des AAD für Bauherren, Planungsbüros und auch
Privatmenschen an. Hierzu wird beispielsweise eine Potenzialanalyse vorhandener Arten durchgeführt und es werden mit den Interessenten Tierarten als Schirmarten festgelegt, von welchen möglichst
viele weitere Tierarten profitieren.
Besonders durch frühzeitige Berücksichtigung der Bedürfnisse einzelner Tierarten innerhalb ihres Gesamtlebenszykluses bereits in der Planungsphase entstehen in der Regel kaum zusätzliche Kosten,
sodass beispielsweise mit einer entsprechenden Pflanzenauswahl-, Anordnung- und Pflege bereits Teillebensräume geschaffen werden können. Hierzu eignen sich meist sogenannte Schirmarten, von denen
andere Tierarten profitieren. Zum Beispiel genügt es nicht, für den gebäudebewohnenden Haussperling einen Nistkasten am Gebäude
anzubringen, denn ohne Nahrung oder Raum zum Ausleben von Sozialstrukturen oder zur Gefiederpflege wird sich dieser gesellige Zeitgenosse nicht einstellen. Hier zeigt sich, dass die gängigen
Versuche von Ersatzmaßnahmen oder die Ambitionen, Tiere anzusiedeln, indem Nistkästen aufgehängt oder „Insektenhotels“ aufgestellt werden, wirkungslos bleiben, denn es wird nur ein Teillebensraum
bereitgestellt, der die Gesamtbedürfnisse der Tierart ignoriert. Sorgt man hingegen für alle Bedürfnisse des Haussperlings als Schirmart, profitieren davon auch zahlreiche andere Arten.
Der NABU Leipzig fordert, dass bei Bauprojekten, der gesetzlich vorgeschriebene Artenschutz besser berücksichtigt wird! Das gilt insbesondere für die Stadtverwaltung Leipzig in ihrer Rolle als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde, aber auch bei kommunalen Bauprojekten, bei denen die Stadtverwaltung ihrer Vorbildfunktion meist nicht gerecht wird. In Anbetracht des weltweiten Artensterbens muss es jedoch zusätzlich Maßnahmen geben, die über diesen gesetzlichen Artenschutz hinaus gehen und die Gesamtbedürfnisse der jeweiligen Tierart berücksichtigen. Tiere müssen als essenzieller Bestandteil der Entwurfsplanung gleichberechtigt neben allen anderen Planungsbelangen betrachtet werden. Hierzu können Animal Aided Design in einem ersten Schritt für Tiere und darauf aufbauend auch Ecosystem Aided Design für kleinräumige und vernetzte Ökosysteme zeitgemäße Instrumente für konkrete und ökologisch sinnvolle Maßnahmen zum Schutz und zur Entwicklung der Biologischen Vielfalt im städtischen Wohnumfeld sowie für eine nachhaltige Stadtplanung insgesamt sein.
Durch rücksichtslose Bauprojekte gehen in Leipzig immer mehr wertvolle Lebensräume verloren und zugleich ihre Funktionen für das menschliche Wohlbefinden und das Stadtklima. Der NABU Leipzig setzt sich dafür ein, bei der Bebauung von der vorhandenen Stadtnatur so viel wie möglich zu erhalten und darüber hinaus mit einer Baumaßnahme auch neue Lebensräume zu schaffen. Ein Beispiel für eine naturverträgliche Planung ist das Gemeinschaftliche Wohnhaus-Projekt „Haus im Fluss“. Die Bauherren kontaktierten den NABU Leipzig, um bei ihren Plänen auch den Biotop- und Artenschutz zu berücksichtigen. Sie wünschten sich einen essbaren Vorgarten mit Gemüse und vielen Blüten, einen Lehmbackofen, eine Komposttoilette, eine Totholzhecke und eine Blühwiese. Auf Empfehlung des NABU sollten außerdem an dem Wohnhaus Nisthilfen für Gebäudebrüter angebracht werden, für Mauersegler und Haussperlinge. Das Team der NABU-Naturschutzstation erarbeitete eine Planung zur Förderung der Biodiversität. Weiterlesen
WEITERE INFORMATIONEN
Während Leipzig für die Menschen wächst, schrumpft die Stadt für die Tier- und Pflanzenwelt. Lebensräume gehen tagtäglich verloren, oftmals ohne jeden Ausgleich, obwohl er gesetzlich vorgeschrieben ist. Damit verliert Leipzig auch mehr und mehr Lebensqualität. Außerdem haben die Ökosysteme wichtige Funktionen, zum Beispiel für das Stadtklima. mehr
Bei Gebäudesanierungen werden Nistplätze zerstört, der gesetzliche Artenschutz wird aus Unkenntnis oder vorsätzlich missachtet. Das führt zum Verlust von Nistplätzen, in manchen Fällen auch zum Tod von Tieren. Auf Leipziger Baustellen! Der NABU fordert Einhaltung der Artenschutzgesetze! mehr
Der NABU setzt sich für eine naturnahe Pflege von Kleingärten, Parkanlagen und Grünflächen ein, unterstützt Garten- und Grundstücksbesitzer, Inhaber von Firmengeländen oder von Wohnanlagen, Sträucher zu pflanzen oder Blumenwiesen anzulegen und zu erhalten. Machen Sie mit: Schaffen Sie Lebensräume in der Stadt! mehr
Bäume und Sträucher haben eine große Bedeutung für die Stadtnatur. Die Gehölze sind wichtig für das Klima, das Wohlbefinden der Menschen, und sie bieten Tieren Unterschlupf und Nahrung. Leider werden Sträucher oft als „Gestrüpp“ verkannt und radikal beseitigt, Bäume werden achtlos gefällt. Damit geht ihre wertvolle ökologische Funktion verloren – zum Nachteil für Mensch und Natur. Der NABU setzt sich daher für ihren Erhalt ein sowie für eine naturverträgliche Gehölzpflege. mehr