Der Waschbär gilt den einen als possierliches Tierchen, andere sahen in ihm schon immer einen Eindringling – da er aus Amerika stammt, ist er in unserer Natur nicht heimisch. Zunehmend zeigt sich inzwischen, dass die Sorgen von Ökologen berechtigt sind, denn das Tier ist ernstes Problem für die heimische Fauna geworden. Er ist Konkurrent um Nahrung und Unterschlupfmöglichkeiten, wodurch er heimische Arten verdrängt, zudem ist der Waschbär aber auch ein sehr anpassungsfähiger und erfolgreicher Beutegreifer. Vogelnistplätze und Amphibiengewässer sind vor ihm nicht sicher.
Naturschützer des NABU beobachten das deutschlandweit mit Sorge, machen sich gleichzeitig Gedanken über Gegenmaßnahmen. Dabei ist klar, dass man das Neozoon nicht wieder beseitigen kann, selbst
eine Bestandseindämmung durch Jagd scheint nicht erfolgversprechend zu sein. Sinnvoller sind praktische Abwehrmaßnahmen an Einzelobjekten, „waschbärsichere“ Nistkästen sowie Verschluss von
Unterschlupfmöglichkeiten. Auf keinen Fall dürfen Waschbären gefüttert werden, auch sonst solle man ihnen Nahrungsquellen möglichst unzugänglich machen. Dazu gehört beispielsweise, dass man keine
Lebensmittel auf dem Komposthaufen entsorgt und Mülltonnen sicher verschließt.
Der Waschbär (Procyon lotor) | |
Schulterhöhe: | 20 bis 30 cm |
Körperlänge: | 40 bis 70 (in Deutschland 60) cm |
Gewicht: | bis 9 kg |
Lebensalter: | bis 16 Jahre |
Verbreitung:
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ursprünglich Nord- und Mittelamerika, heute auch Deutschland, Nordfrankreich, südliches Weißrussland, Kaukasus |
Fortpflanzung: | Paarungszeit im Februar, teilweise bis Juli, nach etwa 9 Wochen 2 bis 5 Junge |
Als Pelztier wurde der Waschbär in den Zwanziger- und Dreißigerjahren aus Nordamerika zu uns gebracht. Er fristete sein Dasein als Gefangener in Pelztierfarmen. 1945 entkamen etwa 25 Waschbären
in der Nähe von Berlin ihren Käfigen. Sie gründeten eine stabile Population im östlichen Brandenburg, die sich immer weiter ausbreitete; 1979 wurde der erste Waschbär in Mecklenburg
beobachtet.
Auch in Hessen wollte man den Waschbär als Pelztier nutzen, wählte aber einen anderen Weg – 1934 wurden zwei Paare vom Forstamt Vöhl am Edersee ausgesetzt. Auch sie vermehrten sich und bilden
heute den zweiten Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland.
Der Waschbär konnte sich so erfolgreich verbreiten, da er in unserer Natur eine freie ökologische Nische besetzen konnte. Die Umweltfaktoren entsprechen weitgehend seinen Bedürfnissen, er hat nur
geringfügig Konkurrenten und praktisch keine Feinde. Nicht zuletzt ist der Waschbär auch sehr vermehrungsfreudig, sodass der Nachwuchs rasch neue Reviere besetzen kann.
Ebenfalls von Vorteil ist die enorme Anpassungsfähigkeit der Waschbären, die insbesondere bei der Nahrung nicht wählerisch sind. Der US-Zoologe Samuel I. Zeveloff nannte den Waschbär eins der
„allesfressendsten“ Tiere. Sein Nahrungsspektrum umfasst zu 40 Prozent Wirbellose (v.a. im Frühjahr), zu 27 Prozent Wirbeltiere (v.a. Fische und Amphibien, aber auch Vögel, Kleinsäuger und
Reptilien) sowie zu 33 Prozent Pflanzliche Nahrung, wie Obst und Nüsse (v.a. im Herbst).
Als Nesträuber ist der Waschbär schon lange bekannt, aber tatsächlich ist er auch für Amphibien ein Fressfeind, der ganze Laichgewässer ausräumen kann, und er bedroht auch die letzten heimischen
Schildkröten.
Der NABU Leipzig reagiert darauf unter anderem mit speziell konstruierten Nistkästen. Sie müssen gut befestigt sein, sonst wirft sie der Waschbär einfach zu Boden; gleichzeitig ist es
vorteilhaft, wenn sie am Ast frei hängend angebracht werden, anstatt sie am Baumstamm zu befestigen. Genagelte Kästen kann der Waschbär auseinander reißen, deswegen sollten alle Bretter mit
Schrauben verbunden werden. Auch die Wartungsklappe muss verschraubt sein, denn Riegel kann der Waschbär problemlos öffnen. Das Nest kann durch einen Vorbau am Einflugloch gesichert werden,
außerdem kann man die Abmessungen der Nisthilfe so verändern, dass Nester oder Jungtiere vom Einflug her nicht leicht erreichbar sind.
Dieser Nistkasten ist für den Waschbär leicht zu öffnen. Die Wartungsklappe ist nur mit einem Holzriegel gesichert. Um die Brut vor einem Waschbären besser zu schützen, sollte die Klappe mit einer Schraube gesichert werden.
Ein frei am Ast hängender Nistkasten bietet mehr Schutz als ein am Baumstamm befestigter Kasten. Die schwankende Konstruktion ist für die Bewohner nicht problematisch, macht es aber Nesträubern schwer, sich am Kasten zu halten. Fotos: Karsten Peterlein
Nistkästen mit einem Vorbau am Einflugloch machen es einem Waschbären schwer, hineinzugreifen. Eine stabile Bauweise, vielleicht sogar aus Holzbeton, bietet weitere Sicherheit, denn zum Teil zerlegen Waschbären gleich den ganzen Nistkasten, um an die Insassen zu gelangen. Fotos: Karsten Peterlein
Dieser Starenkasten war nicht stabil genug, er wurde vom Waschbär regelrecht aufgeknackt. Fotos: Detlef Nowarre
Einen weiteren Schutz bieten Kletterhindernisse am Baumstamm. Damit kann man auch Horstbäume oder andere Nistbäume schützen. Am besten eignen sich Manschetten aus Kunststoff die den Baumstamm auf
einer Stammlänge von mindestens einem Meter umfassen.
Diese Staren-Nistkolonie wurde immer wieder vom Waschbär geplündert. Als Kletterhindernis wurden die Baumstämme mit Kunststoffmanschetten ummantelt. Damit sind sie effektiv vor dem Nesträuber geschützt. Fotos: Karsten Peterlein
Der Waschbär „plündert“ nicht nur Nisthilfen, sondern auch Futterhilfen. Besonders attraktive Leckerbissen sind offenbar Meisenknödel, die der Waschbär gerne verspeist. Man sollte sie daher nicht an einen Ast oder unters Vogelfutterhaus hängen. Besser spannt man eine Leine und hängt die Meisenknödel dort auf, für Vögel sind sie damit problemlos erreichbar, aber nicht für andere Futtergäste.
Futterknödel vor Waschbären sichern:
Auf mindestens 3 Meter Länge einen Draht zwischen zwei Bäumen, Wänden oder Pfeilern spannen (z.B. 2 mm Zaundraht). Auf der Hälfte einen Knoten machen und in diesen Knoten den Meisenknödel am Draht festbinden. Abbildung: Wildvogelhilfe Leipzig
Tipps zur Vorbeugung:
Praktische Tipps, um Waschbären den Zugang zu Gebäuden zu erschweren:
Solche Tipps zu beherzigen, wird immer wichtiger, weil sonst viele engagierte Artenschutzbemühungen durch einen hungrigen Waschbären zunichte gemacht werden können. So haben Waschbären zum
Beispiel eine ganze Generation von Wendehälsen auf vom NABU Leipzig betreuten Flächen getötet bzw. gefressen. Auch kleine Amphibienlaichgewässer werden buchstäblich über Nacht leergefressen.
Nistkästen ohne Waschbärschutz werden früher oder später ebenfalls geplündert. Dabei überraschen die Waschbären immer wieder durch Kraft, Beharrlichkeit, Erfindungsreichtum und Geschicklichkeit,
mit denen sie viele Hindernisse überwinden können, um an Nahrung zu kommen, oder auch, um sich aus einer Falle zu befreien.
Rund 20 Nistkästen für den Wendehals hat der NABU Leipzig bis 2014 auf geeigneten Flächen installiert, mit dem Ziel diesen selten gewordenen Vögeln eine Brutstätte anzubieten. Der Wendehals mag eine halboffene Landschaft, also Mischung aus kleine Waldflächen mit offenen Wiesen und Brachflächen, die nicht zu dicht zuwachsen. Sonne muss reichlich den Boden erreichen, damit seine Lieblingsspeise, die Amseisen, zur Verfügung stehen. In den ersten Jahren gab es gute Ansiedlungserfolge, seit 2016 aber sind die Wendehälse leider nicht alt geworden: Waschbären haben die leicht zugänglichen Bruthöhlen an den Bäumen ausgeräumt.
Anfang April 2018 hat der NABU Leipzig auf dem ehemaligen Manövergelände am Grünen Bogen 6 neue Nistkästen für Wendehälse aus Holzbeton aufgehängt, die stabil sind und so frei hängen, dass der Waschbär hoffentlich nicht rankommt. Weitere solche marder- und waschbärsicheren Nistkästen sollen installiert werden, allerdings ist das mit höheren Kosten verbunden. Der NABU freut sich über Spenden, um neue Nistkästen kaufen zu können (Verwendungszweck: Vogelschutz). Fotos: NABU Leipzig
Baumhöhlen sind in unseren aufgeräumten Wäldern und Ortschaften leider eine Seltenheit, höhlenbewohndene Tierarten, wie zum Beispiel der Waldkauz, leiden unter Wohnungsnot und Nistplatzmangel. Das ist ein vom Menschen verursachtes Problem. Der ebenfalls vom Menschen ins Ökosystem eingeschleppte Waschbär tritt nun als Konkurrent auf und vertreibt vielerorts die Höhlenbewohner aus ihren Quartieren, sodass sie nicht mehr erfolgreich brüten können. Fotos: Karsten Peterlein
Mithilfe von Beobachtungen, Kartierungen und Wildkameras hat der NABU Leipzig im Sommer 2018 auf einer Untersuchungsfläche (Leipziger Volksgarten) von drei Hektar festgestellt, dass
Waschbären erhebliche Verluste in der Vogelwelt verursachen können:
Eine Waschbärenfamilie bestehend aus zwei Alt- und drei Jungtieren suchte fast täglich die Bäume nach Nahrung ab. Von 19 zur Brut genutzten Nisthöhlen wurden 11 von Waschbären ausgeräumt. Das
entspricht einem Verlust von 58 Prozent der Höhlenbrüter.
Gebrütet wurde in 7 Baumhöhlen, von denen 5 von Waschbären ausgeräumt wurden (2x Star, 1x Blaumeise, 1x Kohlmeise, 1x Trauerschnäpper). In 2 Baumhöhlen verlief die Brut
erfolgreich (1x Kohlmeise, 1x Kleiber).
Von 14 Nistkästen wurden 12 zum Brüten genutzt. Von Waschbären wurden 6 Nistkästen ausgeräumt
(1x Gartenrotschwanz, 2x Kohlmeise, 2x Star, 1x Blaumeise). Bei einem Nistkasten konnte nicht beobachtet werden, welches Tier den Nistkasten ausgeräumt hat. In 5 Nistkästen verlief die Brut
erfolgreich
(2x Blaumeise, 1x Kleiber, 1x Star, 1x Feldsperling).
Der Verlust der Bruten in natürlichen Baumhöhlen beträgt 71 Prozent der natürlichen Brutstätten; der Verlust der Bruten in Nistkästen beträgt 50 Prozent der künstlich geschaffenen
Nisthilfen.
Für die lokale Population der selten werdenden Vogelarten wie Trauerschnäpper und Gartenrotschwanz sind Brutverluste erheblich, wenn sie wie hier festgestellt 100 Prozent des Gesamtbestandes der
Untersuchungsfläche betreffen. Beim Star sind das mit 4 von 5 ausgeräumten Bruten immerhin 80 Prozent.
Waschbären gelten als Krankheitsüberträger. Sie können Infektionen und Parasiten auf Haustiere oder Menschen übertragen. Sehr häufig sind Waschbären von einem Spulwurm befallen, der auch dem Menschen gefährlich werden kann. Die Eier des Spulwurms werden durch Kot übertragen. Beim Umgang mit Waschbärkot muss man daher immer Schutzhandschuhe tragen und man sollte sehr vorsichtig sein. Den Kot sollte man möglichst verbrennen.
Die EU-Verordnung gegen invasive, gebietsfremde Arten schreibt vor, dass Waschbären nicht gehalten, befördert oder andernorts freigelassen werden dürfen. Wer einen Waschbären fängt oder sonstwie aufnimmt, kann ihn also dem Gesetz entsprechend nur töten lassen oder an Ort und Stelle wieder freilassen. Eine Gefangenschaftshaltung oder Umsiedlung eingefangener Tiere ist mit dem Gesetz nicht vereinbar. Im Zweifelsfall sollte man den Waschbären daher einfach in Ruhe lassen, auch um nicht mit dem EU-Recht oder mit dem Tierschutzgesetz in Konflikt zu geraten.
Wenig sinnvoll ist auch eine großangelegte Jagd auf Waschbären, deren Bestand sich nach Tötungen immer wieder schnell erholt. Eine gezielte Jagd kann höchstens in engumgrenzten Gebieten sinnvoll und effektiv sein. Ähnlich ist es mit dem Fang mittels Lebendfalle. Mit dieser Methode kann man die Gesamtpopulation der Waschbären nicht dezimieren, aber man kann auf einzelnen Grundstücken damit recht erfolgreich den Waschbär bekämpfen und so zum Beispiel Vogelnistplätze oder Haustierbestände schützen. Jagd oder Fallenfang sollten deshalb, wenn sie überhaupt zum Einsatz kommen, auf naturschutzrelevante Einzelflächen oder -objekte konzentriert werden, flächendeckender Aktionismus hat hingegen wenig Erfolgsaussichten.
Nur berechtigte Fachleute dürfen einen gefangenen Waschbären töten. Zudem sollte man darauf achten, dass sie auch Erfahrung damit haben, denn leider erreichen den NABU auch immer wieder Berichte über dilettantische und damit tierschutzwidrige Tötungsversuche.
Aufklärung der Bevölkerung und Vorsorgemaßnahmen sind wichtig. Haus- und Gartenbesitzer sind aufgerufen, den Waschbären weder Nahrung noch Unterschlupf zugänglich zu machen. Auf keinen Fall dürfen die Waschbären gefüttert werden! Auch Katzenfutter darf man nicht über Nacht rausstellen, weil sich dann der Waschbär davon ernähren würde. Der NABU Leipzig konnte mithilfe von Wildkameras feststellen, dass Futter für Katzen, Igel oder Vögel oft gar nicht diese Tiere erreicht, vielmehr ernährt sich davon der Waschbär, den man damit unbeabsichtigt fördert.
Leider können die heimischen Lebensräume den Waschbären auch deshalb nicht verkraften, weil sie sich ohnehin durch Naturzerstörung in einem dramatisch schlechten Zustand befinden. Umso wichtiger ist das Engagement des NABU mit dem Ziel, die natürlichen Lebensräume und ihre Artenvielfalt zu erhalten.
Zum Waschbär gibt es noch viel Forschungsbedarf. Welche Folgen er für heimische Arten und für das Ökosystem hat, ist noch nicht abschließend untersucht. In vielen Fällen, die Waschbären zur Last gelegt werden, ist nicht bewiesen, dass sie tatsächlich verantwortlich sind; auch andere Beutegreifer und eingeschleppte Arten oder Umweltveränderungen können dafür verantwortlich sein. Nicht ausreichend untersucht und erprobt ist auch, welche Maßnahmen für eine Bestandsregulierung sinnvoll und vertretbar sind. Neben der notwendigen Forschung ist daher Aufklärung der Bevölkerung über sinnvolle Vorsorgemaßnahmen das wichtigste.