Am 20. Dezember 2019 wurde in Sachsen der Koalitionsvertrag unterzeichnet, Michael Kretschmer wurde als Ministerpräsident im Landtag gewählt und vereidigt, und die neue Staatsregierung aus CDU, Bündnis 90/Grüne und SPD hat ihre Arbeit aufgenommen. Zu den wichtigsten Herausforderungen dieser und gegenwärtig auch jeder andreren Regierung gehört der Kampf gegen Artensterben und Klimanotstand. Bisher kommen diese Ziele beim Handeln der Entscheidungsträger viel zu kurz, ein Umsteuern ist dringend erforderlich, und es muss jetzt passieren, um unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Viele Menschen fordern das mit Nachdruck, zum Beispiel mit Petitionen für eine nachhaltige Entwicklung. Diese Initiativen und die Vielzahl der jeweiligen Unterstützer zeigen, wie wichtig diese Anliegen sind. Chancen zum Umsteuern bieten beispielsweise die anstehende EU-Agrareform oder der Strukturwandel in den Braunkohleregionen und in der Automobilbranche.
Die Initiatoren verschiedener sächsischer Petitionen und Bürgerinitiativen nehmen den Start der neuen Staatsregierung zum Anlass, um auf ihre Anliegen und auf die große Unterstützung aufmerksam zu machen und politisches Handeln für Nachhaltigkeit einzufordern. Mit einem Offenen Brief haben sie sich an die Öffentlichkeit, an Landes- und Kommunalpolitiker gewendet:
Leipzig, 20.12.2019
Sehr geehrte EntscheidungsträgerInnen,
in Folge des fortschreitenden Klimawandels und des dramatischen Rückgangs der Biodiversität blickt die Menschheit aktuell in eine ungewisse Zukunft. Immer mehr Menschen werden wach und kämpfen
für eine obligate Wende in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Auch in Sachsen setzten sich immer mehr BürgerInnen für den Erhalt der Biodiversität und für ein klimaverträglicheres Leben
ein. Exemplarisch stehen dafür die folgenden Petitionen:
Ziele: Biotope erhalten und ausbauen. Grünflächen optimieren, öffentliche Rasenflächen in Blühwiesen umwandeln. Pestizide und Insektizide in der Landwirtschaft reduzieren.
Gewässerschutz ausweiten.
Aktueller Stand: am 02.11.2019 mit 21.493 Unterschriften beendet. Übergabe an Petitionsausschuss des sächsischen Landtages im Januar 2020
Ziele: Schutz des einmaligen Holzbergbiotops vor der geplanten Umwandlung in eine Erdstoffdeponie
Aktueller Stand: am 17.02.2019 mit 3252 Unterschriften beendet und am 14.03.2019 dem sächsischen Petitionsausschuss übergeben. Endgültige Entscheidung noch ausstehend.
Ziele: Die Stadt Leipzig, welche bereits schon länger den Titel "Kommune der Biologischen Vielfalt" trägt, muss endlich diesem gerecht werden und ihre grünen Plätze der
Biologischen Vielfalt erhalten und stärken.
Aktueller Stand: Sammlung noch 3 Monate. Bisher 5053 Unterschriften.
Ziele: Erhalt der sich wieder gut entwickelnden Naturräume am Störmthaler See für ein autofreies und erholsames Naturerlebnis
Aktueller Stand: Sammlung noch 6 Monate. Bisher 4115 Unterschriften
Die aufgeführten Petitionen und die Vielzahl der jeweiligen UnterstützerInnen zeigen, wie wichtig eine nachhaltige Politik ist, die den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zum Ziel hat. Klimawandel und Artensterben sind globale Katastrophen, die konkrete Reaktionen der Politik erforderlich machen. Wir fordern von der frisch konstituierten sächsischen Landesregierung und allen politischen EntscheidungsträgerInnen auf kommunaler Ebene, der sächsischen Wirtschaft und Landwirtschaft und natürlich auch von jedem einzelnen Bürger ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Umdenken und Handeln in sämtlichen Lebensbereichen. Die Mittel aus dem Strukturstärkungsgesetz der Kohleregionen sollten nur für innovative Projekte zur Einleitung der Klima-, Agrar-, Energie- und Verkehrswende eingesetzt werden. In Folge könnte sich Sachsen zu einer zukunftsfähigen und lebenswerten Modellregion für den globalen Kampf gegen den Klimawandel und für den Naturschutz entwickeln.
Aktuell fehlt es bundes-, landes- und kommunalpolitisch an konkreten Maßnahmen im Kampf gegen Klimawandel und Artensterben. So werden z.B. weiterhin täglich riesige Flächen neu versiegelt - allein in Sachsen waren dies im Jahr 2017 täglich 4 ha! In Leipzig sind in Folge des Bevölkerungszuwachses und der notwendigen Neubaumaßnahmen seit 2016 100 ha Grünflächen unwiederbringlich verschwunden. Dies hat natürlich neben dem Biotopverlust auch Auswirkungen auf das Stadtklima und aber auch auf die seelische Gesundheit der Einwohner. Eine dänische Studie (1.) aus diesem Jahr konnte zeigen, dass Menschen die in einer grünen Umgebung aufwachsen, im späteren Leben signifikant weniger psychische Erkrankungen entwickeln.
Der Rückgang der Biodiversität in Deutschland lässt sich gut an den kontinuierlich länger werdenden Roten Listen für bedrohte und ausgestorbene Arten ablesen. Die im Oktober 2017 veröffentlichte
Krefeld-Studie (2.) konnte einen Rückgang der Biomasse an Fluginsekten in deutschen Naturschutzgebieten um 75%
nachweisen. Eine kürzlich im Fachmagazin „nature“ publizierte Studie von Wissenschaftlern der TU München (3.) konnte ebenfalls einen dramatischen Arten- und Gesamtbiomasseverlust bei den Insekten in
Deutschland aufzeigen. Innerhalb von nur zehn Jahren ging in den untersuchten Gebieten die Zahl der Arten um ein Drittel und die Masse an Insekten im Grasland sogar um zwei Drittel zurück.
Dass der globale Klimawandel und der dramatische Artenrückgang aktuell nicht mehr nur im stillen Elfenbeinturm der Wissenschaft registriert wird, zeigen u.a. das erfolgreiche Volksbegehren für
Artenvielfalt in Bayern oder „Fridays for Future“. Die aktuelle Datenlage macht deutlich, dass ein ungebremster Klimawandel mit all seinen Konsequenzen, der Menschheit die Grundlagen für eine
lebenswerte Zukunft entziehen wird.
Eine Kursänderung ist nur durch ein Umsteuern in allen Lebensbereichen möglich. Es muss ein Wertewandel angestoßen werden, der kurzfristiges Profitdenken in nachhaltiges, vorausschauendes Denken
im Sinne der kommenden Generationen verändert.
Dieser Offene Brief wurde in Kooperation mit den Petenten der aufgeführten sächsischen Petitionen und der unterstützenden Vereine verfasst.
Mit freundlichen Grüßen
René Sievert
Vorstandsvorsitzender
NABU-Regionalverband Leipzig e.V.
Uta Strenger
Petentin
Rettet die Bienen in Sachsen
Karsten Peterlein
Petent
Bauen und Natur erhalten!
Stephan Schürer
Vorstandsvorsitzender
UferLeben Störmthaler See e.V.
Gunther Winkler
Bürgerintiative Böhlitz
Böhlitz sagt Nein!
Christian Hansel
Petent
Andere Wege am Störmthaler See gehen - Kein Wegebau für KFZ!
Links:
Literatur: