Solarenergie bitte ohne Naturzerstörung!

NABU geht weiter gegen Photovoltaikanlage Seehausen vor

Auf der ehemaligen Deponie in Leipzig-Seehausen sollte laut Regionalplan die Natur Vorrang haben. Doch jetzt wurde in einem sogenannten Zielabweichungsverfahren genau das Gegenteil genehmigt: die Zerstörung ökologisch wertvoller Biotope für den Bau einer Photovoltaikanlage. Gegen diese Genehmigung hat der NABU jetzt Widerspruch eingelegt.

 

Symbolfoto: Bruno/pixabay.com
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Artensterben und Klimawandel sind eine Doppelkrise, nur gemeinsam können sie gelöst werden. Für den angeblichen Klimaschutz Natur zu zerstören, ist widersinnig. Auf der ehemalige Deponie Seehausen haben sich nach der Stilllegung ökologisch wertvolle Biotope entwickelt und das in einem Umfeld, in dem es sonst sehr wenig Grün gibt: Großflächig versiegelten Gewerbegebiete und Straßen prägen die Landschaft, der nahe Flughafen sorgt für zusätzliche Lärmbelastungen. Auf dem Hügel, der hier die Kulturlandschaft weithin prägt, soll eine Solaranlage entstehen, obwohl im Regionalplan ganz andere Ziele festgelegt wurden. Die stark versiegelten Flächen im Umfeld dieser Naturoase könnten mit Photovoltaik großflächig ausgestattet werden, es ist vollkommen unverständlich, weshalb stattdessen hier der letzte Rest Natur geopfert werden soll. Zudem hat der NABU Zweifel am Zielabweichungsverfahren, in dem die Belange des Naturschutzes und die Argumente der Naturschutzverbände offenbar gar nicht berücksichtigt wurden.

 

Aufgrund der Abweichung von den Zielen des Regionalplans, hatte der Vorhabenträger einen Antrag zur Zielabweichung bei der Landesdirektion gestellt. Am 18. Februar 2025 wurde diesem Antrag stattgegeben. Gegen den Bescheid hat der NABU Sachsen als staatlich anerkannter Naturschutzverband Widerspruch eingelegt, mit dem sich die Behörde nun auseinandersetzen muss.

 

Entgegen den Aussagen in der Genehmigung werden die Grundsätze sowohl des Landesentwicklungsplans als auch des Regionalplans verletzt. Grundlage des Zielabweichungsbescheides ist nach Auffassung des NABU eine fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens, zudem hat die Planung naturschutzrechtliche Defizite, auf die der NABU bereits in Stellungnahmen hingewiesen hatte.

Der Ausbau von Photovoltaik gehört zu den essenziellen Pfeilern bei der Umsetzung der Klimaziele. Ein Ausbau von Solarenergie ist daher auch im Interesse des Natur- und Artenschutzes, denn der Klimawandel zählt zu den größten Bedrohungen für Mensch und Natur. Es ist jedoch kontraproduktiv, wenn ein Ausbau von Photovoltaik so erfolgt, dass Natur- und Artenschutz ignoriert werden. Deshalb sollten Photovoltaikanlagen möglichst auf bereits versiegelten Flächen oder auf Dächern errichtet werden, nicht jedoch auf ökologisch wertvollen Flächen.

 

Der NABU äußert vor allem die folgenden Kritikpunkte an der Zielabweichungsgenehmigung:

  • Der ohnehin schon geringe Waldanteil in Leipzig wird ignoriert.
  • Das Ziel, die Kulturlandschaft zu erhalten, wird aufgegeben.
  • Die Planung greift massiv in Natur und Landschaft ein.
  • Es gibt alternative Standorte für die PV-Anlage.

 

Unzureichende, unzutreffende Begründung des Vorhabens

Begründet wird die Notwendigkeit, die Photovoltaikanlage zu errichten mit dem Ausstieg des Kraftwerks Lippendorf aus der Fernwärmeversorgung. Dies erfordere einen Ausbau „alternativer Energiegewinnungsanlagen“. Diese Begründung hält der NABU für nicht zutreffend, da die geplante PV-Anlage kein Ersatz für Fernwärme sein kann, es handelt sich nicht um eine solarthermische Anlage.

 

Nicht zutreffende Aussagen zur Minderung von Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes

Symbolfoto: Michael Schwarzenberger/pixabay.com
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Im Bescheid werden mehrere Maßnahmen genannt, die die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und der Erholung mindern sollen, wie Ausrichtung, Abstände und Lebensdauer der Solarmodule. Im Wesentlichen wird damit aber eine standardmäßige Anordnung von Modulen einer Freiflächenanlage beschrieben, Maßnahmen zur Minderung der Beeinträchtigungen sind gar nicht erkennbar, trotzdem werden die Ausführungen bei der Genehmigung positiv bewertet.

 

Ignoriert werden auch die zu erwartende Zerstörung von Biotopen, in denen beispielsweise geschützte Singvögel, Eidechsen und Fledermäuse zuhause sind sowie die Folgen für das Mikroklima. Duch Rodungen werden auch die umgebenden Gehölzbestände geschädigt.

 

Dass die Region Leipzig bereits sehr waldarm ist, wird ebenfalls nicht berücksichtigt. Stattdessen wird der Waldverlust in Kauf genommen mit einem geplanten Ausgleich in Nordsachsen, weit weg von der Stadt Leipzig, und dass, obwohl der Regionalplan sogar Walderhalt und Waldmehrung zum Ziel hat.

 

Als Alternativer Standort der PV-Anlage komme nur wertvoller Ackerboden in Frage, wird ferner in dem Bescheid behauptet. Das ist nicht zutreffend, vielmehr bieten sich die großflächig versiegelten Gewerbeflächen und Parkplätze in der unmittelbaren Nachbarschaft der Deponie als Alternative an. Das wird aber in dem Bescheid gar nicht diskutiert.

 

Verletzung der Planungsgrundzüge

In der Genehmigung wird argumentiert, dass Grundzüge der Regionalplanung nicht berührt werden, weil die Abweichung von den Zielen nur „von minderem Gewicht“ sei. Das ist nach Ansicht des NABU nicht zutreffend. Die PV-Anlage verstößt nicht nur gravierend gegen ein Ziel des Regionalplans, sondern gegen drei: Vorrang Walderhalt, Vorrang Erhalt der Kulturlandschaft und unzulässige Inanspruchnahme von Wald für Photovoltaik. Die PV-Anlage nimmt Vorrangflächen für Natur und Landschaft in Anspruch, das ist keine Abweichung von minderem Gewicht, sondern das komplette Gegenteil der ursprünglichen Entwicklungsziele.

 

Es handelt sich nach Auffassung des NABU um eine Abweichung mit besonderem Gewicht, da man davon ausgehen muss, dass hier nicht nur ein Einzelfall entschieden wird, sondern ein Präzedenzfall geschaffen wird.

 

Besonders kurios scheint die Argumentation, dass die PV-Anlage im Landesentwicklungsplan 2013 genehmigt worden wäre, wenn man sie damals schon geplant hätte. Darum müsse man sie auch heute genehmigen. 2013 hatte man jedoch ausdrücklich die Kuppe als Teil der Kulturlandschaft geschützt, eine technische Anlage auf der Kuppe passt nicht zu dieser anerkannten Schutzwürdigkeit.

 

Erhebliche Umweltauswirkungen können nicht ausgeschlossen werden

Heidelerche. Symbolfoto: Jens Grabow/NABU-naturgucker.de
Heidelerche. Symbolfoto: Jens Grabow/NABU-naturgucker.de

Ein Zielabweichungsverfahren ist ausreichend, wenn erhebliche Umweltauswirkungen ausgeschlossen sind, aber genau das ist hier nach Auffassung des NABU gerade nicht der Fall, ganz im Gegenteil: Die Planung stellt einen erheblichen Eingriff in Natur und Landschaft dar und verursacht zudem zahlreiche artenschutzrechtliche Verbotstatbestände durch die Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten.

 

Auf dem ehemaligen Deponiegelände befinden sich ein ca. 30 Jahre alte Eichenwald mit Purpurknabenkraut in lichten Bereichen sowie Halboffenland- und Offenlandbereiche mit Vorkommen von gefährdeten Brutvogelarten (Heidelerche, Sperbergrasmücke, Wendehals, Neuntöter u.a.), Vorkommen der Zauneidechse, von Wildbienen und weiteren seltenen und geschützten Wirbellosen (Blauflüglige Ödlandschrecke). In dem Biotopmosaik wachsen seltene und gefährdete Orchideenarten. Nach Auffassung des NABU erlauben hier die für Leipzig höchst seltene Flora und Fauna eine Ausweisung als Naturschutzgebiet und jedenfalls nicht die Abweichung von den bereits bestehenden Schutzzielen für Natur und Landschaft. Angesichts von Artensterben und Flächenverbrauch müssen die Belange von Natur und Umwelt viel stärker bei der Raumplanung berücksichtigt werden, das ist in dem Zielabweichungsverfahren aber nicht zu erkennen.

 

Fehlende Berücksichtigung bzw. Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange

Der NABU hat Zweifel, ob im Rahmen des Zielabweichungsverfahrens überhaupt eine Abwägung stattgefunden hat, bei der sich die Behörde mit den Stellungnahmen der Naturschutzverbände auseinandergesetzt hat. Es gibt mehrerer Stellungnahmen und Positionspapiere, aber in den Unterlagen keine Auseinandersetzung mit den darin vorgebrachten Argumenten.

Angesichts der Biodiversitätskrise ist nicht verständlich, warum die Landesdirektion bei der Entscheidung die Flächennutzung höher bewertet als den nötigen Schutz der Fläche. Der Ausbau der erneuerbaren Energien darf nicht auf Kosten anderer wichtiger Ziele der Nachhaltigkeit gehen, wie der biologischen Vielfalt, des Stadtklimas und der Gesundheit der Menschen.