Auf einer Grünfläche in der Eigenheimstraße / Libertastraße im Stadtteil Dölitz ist der Neubau einer Kindertageseinrichtung geplant. Es ist eins von zahlreichen Bauprojekten in Leipzig, wodurch immer wieder ein kleines Stück Stadtnatur verschwindet. Auch in diesem Fall ist die Sorge berechtigt, denn für das Bauprojekt soll eine Grünfläche zerstört werden, die für die Wohnqualität in der Siedlung Johannishöhe eine wichtige Rolle spielt, ebenso für das Stadtklima und für die urbane Tier- und Pflanzenwelt.
Der NABU Leipzig fordert ein Umdenken! Bei geplanten Baumaßnahmen muss der ökologische Wert der Baugrundstücke berücksichtigt werden. Raum für die Tier- und Pflanzenwelt muss erhalten oder im Zuge von Baumaßnahmen sogar neu geschaffen werden. Je mehr Brach- und Grünflächen der wachsenden Stadt geopfert werden, desto wichtiger ist es, den ökologischen Wert der Bauflächen zu prüfen. Vor allem, wenn andere geeignete Flächen zur Verfügung stehen, sollten Grünanlagen unbedingt erhalten bleiben.
Zudem wird oft das Bundesnaturschutzgesetz ignoriert, das Lebensräume geschützter Tierarten vor Zerstörungen bewahren soll, wie beispielsweise Vogelnistplätze oder Höhlen für Fledermäuse.
Es ist verständlich, dass die Stadtverwaltung auf den Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen auch mit Neubauprojekten reagieren will, dabei darf aber nicht der Schutz der Natur ignoriert werden. Der
NABU fordert, für Bauprojekte vor allem bereits bebaute oder versiegelte Grundstücke zu nutzen oder diese zu erwerben, Grün- und Brachflächen hingegen müssen möglichst erhalten bleiben oder sogar
weiter aufgewertet werden.
Der NABU stellt immer wieder fest, dass für verlorene geschützte Lebensräume, wie beispielsweise Höhlenbäume, in Leipzig leider kein Ausgleich erfolgt.
Der NABU begrüßt, dass die Stadt versucht, den Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen zu decken. Aber auch dabei darf man den Schutz der Stadtnatur nicht vergessen. Insbesondere muss berücksichtigt werden, dass Kinder in einem gesunden, naturnahen Umfeld mit Respekt vor den Mitgeschöpfen und mit dem Gedanken des Naturschutzes aufwachsen sollen. Dafür ist der Erhalt von Grünflächen und innerstädtischen Lebensräumen gerade im Umfeld von Kindertagesstätten dringend erforderlich. Stattdessen gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass für Kinderbetreuungseinrichtungen sogar die Stadtnatur vernichtet wird. Das entspricht nicht dem Gedanken einer gesunden, nachhaltigen, naturverträglichen Lebensweise, zu der Kinder angehalten werden sollten. Die Bauplaner müssen auch an die Tierkinder denken, und statt Kinder-Tagesstätten sollte man wieder Kinder-Gärten bauen, in denen die Natur dazugehört!
"Moderne" Kindergärten: Bei diesen neuerrichteten Kindertagesstätten handelt es sich um große Flachbauten, riesige Flächen wurden
dafür versiegelt. Die Natur im Umfeld wurde in die Gestaltung nicht integriert, sondern vernichtet, neue Naturflächen wurden nicht angelegt. Kinder wachsen nun leider so auf und lernen, dass
Natur nicht zum Leben in der Stadt gehört. Das ist keineswegs "modern"! Fotos: NABU Leipzig
Auf der Grünfläche in der Eigenheimstraße befinden sich 40 Bäume, die aufgrund ihres hohen Alters zahlreiche Höhlen haben. Mindestens 12 Höhlen, die Lebensraum für Vögel und Fledermäuse sind, hat der NABU Leipzig bei einer einfachen Begehung festgestellt. Ein rund 40 Meter langer Streifen aus locker bepflanzten Sträuchern bietet verschiedenen Insekten, Vogelarten und Kleinsäugern, wie dem Igel, Nahrung und Lebensraum. Genauere Erfassungen, würden vermutlich noch weitere schützenswerte Naturgüter auf der Fläche nachweisen.
Nach dem Bundesnaturschutzgesetz sind alle europäischen Vogelarten besonders geschützt. Neben zahlreichen besonders geschützten Vogelarten, die im Gebiet nachgewiesen sind, gibt es dort auch den streng geschützten Grünspecht. Alle in Sachsen lebenden Fledermausarten sind ebenfalls nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt.
Diese gesetzlich geschützten Tierarten und Lebensräume sollen dem Bauprojekt geopfert werden, obwohl es im Umfeld auch andere geeignete Bauflächen gibt, deren ökologischer Wert geringer ist.
Erschwerend kommt hinzu, dass der geplante Kita-Standort schlechter als andere mögliche Standorte an den öffentlichen Nahverkehr angebunden ist. Es ist zu befürchten, dass dadurch PKW-Verkehr
provoziert wird, der eine zusätzliche Belastung für Umwelt, Tierwelt und Anwohner darstellt.
Bereits bei einer einfachen Begehung konnte der NABU Leipzig auf der Grünfläche Libertaplatz zahlreiche höhlenreiche Bäume finden. Mindestens 12 Höhlen, die Lebensraum für Vögel und Fledermäuse und damit auch gesetzlich geschützt sind, wurden dabei festgestellt.
Leipzig hat eine hohe Biodiversität, ist dank seiner Parks, Friedhöfe und Gärten und wegen der Nähe zum Auwald eine Oase für zahlreiche Tiere und Pflanzen, die in der Stadt zuhause sind, wodurch
sie auch zum Stadtklima und zur Lebensqualität der Menschen einen wichtigen Beitrag leisten. Diese Biodiversität ist akut bedroht! Stück um Stück fällt die Stadtnatur immer neuen Bauprojekten zum
Opfer, die fast immer ohne Rücksicht auf die innerstädtischen Lebensräume und oft auch ohne Rücksicht auf das Bundesnaturschutzgesetz geplant werden.
Damit werden auch die Wünsche vieler Bürger ignoriert, die ein grünes Wohnumfeld wollen und sich gerne an der Tierwelt erfreuen. Entsprechende Klagen erreichen den NABU Leipzig wöchentlich,
leider ist es kaum möglich, jeden einzelnen Naturfrevel zu verhindern, vieles passiert leider gänzlich unbemerkt. Das geht bis zur mutwilligen Zerstörung gesetzlich geschützter Vogelnistplätze,
wobei Jungvögel umgebracht oder lebendig eingemauert werden, was auch einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz darstellt sowie gegen menschliches Mitgefühl.
Der NABU Leipzig hat 2016 begonnen, den Verlust von Lebensraum zu erfassen. Allein im Jahr 2016 konnte der NABU einen Flächenverlust von rund 60 Hektar feststellen. Es handelt sich
um Lebensraum geschützter Tierarten, der damit verloren gegangen ist. Diese Erfassung beruht nur auf Beobachtungen des NABU und ist damit nicht vollständig, sodass der Lebensraumverlust in der
Stadt insgesamt sogar noch größer ist: Leipzig schrumpft!
In einigen Stadtteilen ist bereits jetzt ein starker Rückgang der lokalen Population von Wildtieren zu beklagen. So wird der Haussperling in vielen Stadtteilen selten. Spechte oder Stare (Vogel des Jahres 2018), die auf alten Baumbestand angewiesen sind, verschwinden aus Wohngebieten. Das droht auch in der Siedlung Johannishöhe, wenn der Altbaumbestand auf dem Libertaplatz nicht erhalten wird. Ausweichquartiere in ähnlichen Lebensraumtypen in der Umgebung gibt es für diese Tiere nicht, zudem bringt der Bauboom auch die Wildtiere in anderen Stadtteilen in Bedrängnis. Somit sind Ausweichquartiere schon längst besetzt und es herrscht Wohnungsnot in der Tierwelt. Durch Baumaßnahmen vertriebene Tiere werden aus neubesetzten Revieren oft durch neue Baumaßnahmen gleich wieder verdrängt. Zudem herrscht auch Nahrungsmangel, ebenfalls verursacht durch Flächenverluste sowie durch eine verfehlte Pflege von Grünflächen und Gärten.
Höhlenbewohnende Vogelarten wie Meisen und Spechte sind auf den Erhalt alter Bäume angewiesen.
Diese von Menschen verursachte Notsituation bringt die betroffenen Tiere oft in akute Lebensgefahr. Sie müssen ungeeignete Lebensräume nutzen, müssen auf der Nahrungssuche oder auf der Suche nach neuen Quartieren weite Wege zurücklegen, wodurch das Unfallrisiko steigt oder das Risiko, von Hauskatzen verletzt zu werden. Immer wieder werden zum Beispiel Vögel durch Verkehrsunfälle verletzt oder bei der Kollision mit Glasfassaden der neu errichteten Gebäude. Um solche verunglückten Vögel kümmert sich die Wildvogelhilfe des NABU Leipzig, die immer mehr solche Fälle verzeichnet. Ähnliche Probleme gibt es für Fledermäuse und Igel. Jede neu versiegelte Fläche eines Igellebensraums vertreibt die Tiere, die in den „aufgeräumten“ Parks und Gärten nur noch selten geeignete Quartiere finden.
Die Fläche in der Siedlung Johannishöhe ist für wildlebende Tiere von hoher Bedeutung, aber auch für die Lebensqualität der Anwohner wichtig. Der NABU schlägt deshalb vor, hier der Natur den Vorrang zu geben. Man kann den ökologischen Wert der Fläche noch weiter verbessern, zum Beispiel durch die Anpflanzung von Hecken und Blühstauden. Damit könnte die lokale Artenvielfalt erhalten bleiben. Die Fläche könnte dann zum Rückzugsraum für Tiere werden, die im Umfeld von anderen Baumaßnahmen betroffen sind. Man könnte also die Kindertageseinrichtung auf einer ökologisch weniger wertvollen Fläche errichten und gleichzeitig den ökologischen Wert des Libertaplatzes erhöhen.
Bäume und Sträucher in der Stadt bieten Nahrung, Unterschlupf und Nistplätze. Der Mangel an innerstädtischer Natur führt dazu, dass bereits jetzt nahezu jeder mögliche Niststandort von der Vogelwelt genutzt wird. Wenn Stadtbäume ersatzlos gefällt werden, besteht keine Ausweichmöglichkeit für die Tiere. Die Neuanpflanzung junger Bäume ist kein Ersatz für die verlorenen Nistplätze. Deshalb müssen Altbäume und existierende innerstädtische Lebensräume erhalten bleiben.
Eine Bürgerinitiative der Siedlung Johannishöhe hat die Fraktionen im Stadtrat um Unterstützung bei der Prüfung alternativer Standorte gebeten. Bei der Stadtratssitzung am 18. Oktober 2017 wurde die Prüfung von drei Alternativstandorten beschlossen.
Der NABU Leipzig hat die vorgeschlagenen Alternativstandorte geprüft und hält alle aus naturschutzfachlicher Sicht für besser geeignet. Wie der NABU im Gespräch mit der Stiftung Bildung &
Handwerk SBH Südost GmbH erfahren hat, stehen in der Friederikenstraße mehrere versiegelte Flächen und von der Stiftung angebotene Flächen zur Verfügung. Diese Flächen und ein möglicher
Kita-Betrieb wurden seitens der Stiftung der Stadtverwaltung angeboten, was aber bisher offenbar ignoriert wird. Hier wäre es sogar möglich, trotz Neubau Flächen teilweise zu entsiegeln.
Der NABU kritisiert zudem, dass bei vielen neu errichteten Kindergärten nur eingeschossig gebaut wird. Bei einer mehrgeschossigen Bauweise könnten auch andere Nutzungen einen Platz finden, wie
Büros oder Arztpraxen. Damit würde verhindert, dass für solche, ebenfalls benötigten Einrichtungen weitere Flächen versiegelt werden. Der zunehmende Platzbedarf in der wachsenden Stadt macht es
erforderlich, die vorhandenen Flächen so effektiv wie möglich zu nutzen und die Natur soweit wie möglich zu erhalten und zu integrieren.
Wer an die Kinder denkt, darf die Natur nicht vergessen! Der NABU steht gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.
Brief des NABU an die Stadtverwaltung und an die Ratsfraktionen
Nicht nur die Bewohner der Siedlung Johannishöhe kämpfen für ihr Stadtgrün und haben den NABU um Unterstützung gebeten. Zahlreiche weitere Bürgerinitiativen sind auf ähnliche Art aktiv. So unterstützt der NABU zum Beispiel auch die Bemühungen zum Erhalt des Stünzer Parks, der dem Straßenbau geopfert werden soll oder des Sternwartenwäldchens, das einer Bebauung weichen soll. Der NABU setzt sich auch vehement für den Erhalt der Grünflächen auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz ein. Die Freiflächen und Gebüsche hier sind essenzieller Lebensraum für die Tierwelt in der Innenstadt.
Unterstützt vom NABU Leipzig hat die Bürgerinitiative „Johannishöhe“ das Gespräch mit der Stadtverwaltung und auch mit dem Stadtrat gesucht. Bei einem Treffen hat die Verwaltung dargelegt, warum Alternativstandorte nicht in Frage kommen. Die Bürgerinitiative kritisierte, dass die Verwaltung offenbar nicht gewillt ist, Entscheidungen zusammen mit den Bürgern zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Man suche nur nach Ausreden, um an den bisherigen Entscheidungen festzuhalten. Auch Stadträte zeigten sich unzufrieden und warfen der Stadtverwaltung vor, Alternativstandorte nicht sorgfältig geprüft zu haben.
Die Anwohner haben gemeinsam mit dem NABU ihre Anliegen auch öffentlich gemacht, unter anderem bei einer Demonstration im Neuen Rathaus am 15. November 2017.
Protest im Neuen Rathaus. Fotos: Karsten Peterlein
Nach dieser Kundgebung folgten monatlich Demonstrationen, immer am Rande der Stadtratssitzungen. Von Erfolg gekrönt waren die intensiven Bemühungen der Anwohner und des NABU im Mai 2018, als der Stadtrat beschloss, den Standort Eigenheimstraße für einen Kitabau aufzugeben:
Beschluss der Stadtratssitzung vom 16. Mai 2018 zur Kitabedarfsplanung
Der Stadtrat hat die Kindertagesstättenplanung der Stadt Leipzig für den Planungszeitraum Januar bis Dezember 2018, Januar bis Dezember 2019 sowie die Fortschreibung 2020 bis 2022 bestätigt. 2018 sollen demnach gut 2.300 neue Betreuungsplätze in Kindertagesstätten entstehen, im nächsten Jahr dann noch einmal knapp 3.700. Darunter fallen auch die zwölf sogenannten Leipzig-Kitas, die die Stadt selbst bauen wird. Der Standort Eigenheimstraße wird dabei durch einen noch festzulegenden Standort in der Umgebung Newtonstraße/Wincklerstraße/Bornaische Straße/Leinestraße ersetzt. (Amtsblatt 2018, Nr. 11)
Nach dem erfreulichen Stadtratsbeschluss haben die Anwohner zum Fest auf dem geretteten Libertaplatz eingeladen. Es fand am 9. Juni statt, etwa 70 Leute waren da, darunter ältere im Rollstuhl und Kinder, die auf der Wiese spielen konnten. Dazu sang ein Buchfink in den Bäumen. Es wurde gegrillt, Würstchen und Kuchen wurden verkauft, der Erlös wurde dem NABU Leipzig gespendet.
Siegesfeier der Anwohner auf dem geretteten Libertaplatz. Fotos: Beatrice Jeschke
Der NABU bedankt sich sehr für die erfolgreiche Zusammenarbeit und für die Spende. Der Libertaplatz konnte dank der gemeinsamen Bemühungen als Lebensraum gerettet werden, bei vielen anderen in der Stadt gelingt das leider nicht. Immer wieder melden sich Bürger beim NABU Leipzig und hoffen, dass er das Stadtgrün retten kann, doch in den meisten Fällen ist das leider nicht möglich, zumal es in den meisten Fällen der NABU alleine schaffen soll. Beim Libertaplatz war es anders, das große Engagement der Anwohner hat am Ende die Rettung der Grünfläche möglich gemacht – ein Erfolg des NABU Leipzig für Mensch und Natur.