Leipzig schrumpft weiter

Lebensraum wird Parkplätzen geopfert

Am 22. Januar 2020 gab es eine Informationsveranstaltung zu Baumaßnahmen in der Bornaischen Straße. Mitstreiter des NABU Leipzig nahmen teil und haben am Tag danach ein Informationsschreiben verfasst. Es sollte den Verantwortlichen Hinweise geben zu den betroffenen Tier- und Pflanzenarten und zu den ökologisch wertvollen Lebensräumen. Und es wurde gefragt: Ist es wirklich verhältnismäßig, in der „Kommune der Biologischen Vielfalt“ vor dem Hintergrund von Verkehrswende, Klimaschutz und Artensterben ein wertvolles Stück Stadtnatur für einige wenige temporäre Parkplätze zu vernichten?
Doch die Hinweise den NABU und anderer Bürger interessierten nicht, Einwendungen wurden gar nicht abgewartet – unverzüglich nach der Informationsveranstaltung fand die Rodung des Geländes statt. Warum wurden die Bürger dann überhaupt gefragt? Wie erfolgt der gesetzlich vorgeschriebene Ausgleich für die Zerstörung geschützter Lebensstätten?

 

Vorher: Lebensraum in der Stadt.
Vorher: Lebensraum in der Stadt.
Nachher: Kahlschlag für Parkplätze. Fotos: Sabrina Rötsch
Nachher: Kahlschlag für Parkplätze. Fotos: Sabrina Rötsch

Informationen des NABU Leipzig:

Für die Bereitstellung von temporären, bezahlpflichtigen Parkplätzen auf Grünflächen sollen die vorhandenen Grünstrukturen beseitigt werden. Die betroffene Grünfläche Bornaische / Ecke Meusdorfer Straße wird von einer Spatzenkolonie als Nahrungs- und Ruhestätte genutzt, welche nach Bundesnaturschutzgesetz § 44 geschützt ist. Weiterhin wurden auf betreffender Fläche Mehrfachfunde von Aromia moschata als adulte Tiere nachgewiesen. Auf der Fläche Bornaische / Ecke Hammerstraße befindet sich ein nicht durch die Baumschutzsatzung geschütztes Exemplar von Salix caprea, welche der Wildbienenkolonie (Anthopoda plumipes) im Umfeld als Nahrungsquelle im räumlichen Zusammenhang dient. Es ist davon auszugehen, dass durch den Wegfall der Grünflächen die lokalen Populationen dieser Arten durch den ersatzlosen Verlust der essenziellen Grünstrukturen vernichtet werden. Ein Ausweichen ist nicht möglich. Durch vorangegangene Bautätigkeiten im Umfeld und dem damit verbundenen ersatzlosen Entzug von Heckenstrukturen sind bereits zahlreiche Brutvogelreviere sowie die dazugehörigen Ruhestätten verloren gegangen:

Eckgrundstück Leopold- / Ecke Biedermannstraße
Leopoldpark
Mühlholzgasse
Bornaische / Ecke Hildebrandstraße
Bornaische Straße
Bornaische / Ecke Ecksteinstraße

900 qm
3.000 qm
1.700 qm
500 qm
8.600 qm
180 qm

Verlust an Hecken
Verlust
Verlust
Verlust
Verlust
Verlust


Ein Ausweichen der Spatzenkolonie in andere Gebiete ist nicht möglich, da diese durch die Pflegeintensität (Grünfläche Maternus Seniorenzentrum) ungeeignet sind oder bereits als Revier von anderen Spatzenkolonien belegt sind (Hildebrandpark, Kleingartenanlage Pfeffinger Straße, Freifläche neben Bornaische Straße 42).

 

Vorher.
Vorher.
Nachher.
Nachher.

Der NABU Leipzig bat um die Beantwortung der folgenden Fragen:

  • Fand ein Abwägungsprozess bezüglich Umweltbelange und Schaffung zeitlich begrenzter Stellplätze statt?
  • Wie verhältnismäßig ist in der „Kommune der biologischen Vielfalt“ sowie angesichts des Klimanotstandes die geplante temporäre Stellplatzbereitstellung auf begrünten Flächen?
  • Wurden andere Möglichkeiten auf bereits teil- oder vollversiegelten Flächen zum zeitlich begrenzten Abstellen von unter einem Jahr für PKWs durch die Stadt Leipzig geprüft? Wenn ja, welche?
  • Da es sich um mietbare Stellplätze handelt, wurde geprüft, ob die Bewohner dieses Angebot überhaupt nutzen würden?
  • Welche bodenvorbereitenden Maßnahmen sind für die Stellplätze geplant und wie ist eine Verdichtung des Schutzgutes Boden auszuschließen?
  • Gibt es bereits Pläne für eine Nachnutzung der Grünflächen?
  • Welche Ersatzpflanzungen sind für den Verlust der Bäume, Hecken und Sträucher geplant (bitte nach Arten und Standort auflisten)?
  • In der Informationsveranstaltung wurde die Schaffung von 50 temporären Stellplätzen angegeben. Aufgrund der Grundstücksgrößen können diese nicht allein auf den beiden benannten Flächen verwirklicht werden. Welche weiteren Grün- und Brachflächen werden zum Abstellen von PKW sowie Baumaschinen bereitgestellt?
  • Die vorhandenen Heckenstrukturen aus Holunder, Efeu und Brombeere auf dem Grundstück Meusdorfer / Ecke Bornaische Straße dienen als gesetzlich geschützte Ruhestätte der Haussperlingskolonie nach Bundesnaturschutzgesetz § 44 Absatz 1-3. Durch das ersatzlose Beseitigen dieser Grünstrukturen ist die Kolonie in ihrem Bestand gefährdet. Welche Maßnahmen sind geplant, um den Erhalt der Spatzenkolonie zu sichern? Wohin können die Tiere ausweichen?
  • Durch das vorhandene Totholz auf dem Grundstück Bornaische / Ecke Meusdorfer Straße und mehrere Einzelfunde adulter Tier von Aromia moschata im direkten Umfeld können Lebensstätten dieser Art auf dem Grundstück nicht ausgeschlossen werden. Fand aufgrund der Angaben in der Artdatenbank Sachsen eine artenschutzfachgutachterliche Kontrolle statt?
  • Durch den ersatzlosen Wegfall der Nahrungsräume von Anthopoda plumipes auf dem Eckgrundstück Leopold- / Ecke Biedermannstraße hat die Population bereits dadurch ihre Nahrungsräume als Art mit kleinem Aktionsradius im räumlichen Zusammenhang verloren und nutzt seither Salix caprea auf dem Grundstück Bornaische / Ecke Hammerstraße. Durch den Wegfall ist die Population in ihrem Bestand gefährdet. Welche Maßnahmen werden zum Erhalt der Population ergriffen?

Dem Vorhaben, temporäre und bezahlpflichtige Parkplätze auf Kosten weiterer Grünflächenverluste bereitzustellen sowie die Berührung der Verbotstatbestände des Bundesnaturschutzgesetztes § 44 für besonders und streng geschützte Arten kann in dieser Form nicht zugestimmt werden. Wir bitten aus oben genannten Gründen um den Verzicht der Schaffung der zeitlich begrenzten Stellplätze bzw. um die Prüfung von bereits versiegelten Alternativstandorten.

 

Mehrfach wurden adulte Exemplare von Aromia moschata gefunden. Foto: Sabrina Rötsch
Mehrfach wurden adulte Exemplare von Aromia moschata gefunden. Foto: Sabrina Rötsch

Rücksichtsloser Kahlschlag

Leider musste der NABU feststellen, dass noch bevor diese Hinweise überhaupt die Adressaten erreichen konnten, die Rodungen erfolgten. Entgegen der öffentlichen Bekanntgabe fanden die Fällarbeiten auf dem Grundstück Bornaische / Ecke Meusdorfer Straße bereits am 24. Januar statt. Warum informiert die Stadt Leipzig bei öffentlichen Veranstaltungen sowie im Internet die Anwohner falsch bezüglich des Fällzeitpunktes?

2016 und 2020 erfolgte vom NABU auf den betroffenen Flächen eine Gehölzkartierungen. Dabei konnten Laubbäume mit einem Stammumfang von mehr als 30 cm, Laubsträucher mit mehr als 4,0 m Höhe und Klettergehölze mit mehr als 3,0 m Höhe festgestellt werden, die durch Baumschutzsatzung und Gesetz geschützt sind. Welche Ersatzpflanzungen sind zum Erhalt der vom NABU genannten Populationen geplant?

Da es sich im vorliegenden Fall um Eingriffe handelt, welche geschützte Arten betreffen, wurde die zuständige Behörde informiert. Leider ist zu befürchten, dass ungeachtet dessen die Naturzerstörung fortgesetzt wird.

Vorher.
Vorher.
Nachher.
Nachher.

FÜR BIOTOPSCHUTZ


Leipzig schrumpft

Während Leipzig für die Menschen wächst, schrumpft die Stadt für die Tier- und Pflanzenwelt. Lebensräume gehen tagtäglich verloren, oftmals ohne jeden Ausgleich, obwohl er gesetzlich vorgeschrieben ist. Damit verliert Leipzig auch mehr und mehr Lebensqualität. Außerdem haben die Ökosysteme wichtige Funktionen, zum Beispiel für das Stadtklima. mehr



Foto: Beatrice Jeschke

Petition „Bauen und Natur erhalten“

Seit Jahren werden in Leipzig Grünflächen vernichtet, die für Mensch und Natur wertvoll sind. Seit 2016 wurden im Stadtgebiet mindestens 250 solche wertvollen Grünflächen mit zusammen rund 100 Hektar ersatzlos beseitigt. Doch der Widerstand wächst. Bei der Schließung von Baulücken darf die Stadtverwaltung die Natur und das grüne, lebendige Wohnumfeld nicht vergessen! Petition