Jedes Jahr im Januar ruft der NABU zur großen winterlichen Vogelzählung auf. Bei dieser „Stunde der Wintervögel“ kann jeder mitmachen, der sich eine Stunde Zeit nimmt. Man beobachtet die Tiere in der unmittelbaren Umgebung, notiert die Anzahl und die Vogelarten und meldet alles dem NABU. Dabei lernt etwas über die heimische Vogelwelt und hilft beim Vogelschutz; denn die zahlreichen Daten aus ganz Deutschland liefern wertvolle Informationen über die Bestandsentwicklung bei Vogelarten im Siedlungsraum. Gerade diese Arten sind mehr und mehr bedroht – in Leipzig beispielsweise durch rücksichtslose Bauprojekte und den fortschreitenden Verlust der Stadtnatur. 2023 findet die Zählung vom 6. bis 8. Januar statt.
Aufgrund der Corona-Pandemie konnte der NABU Leipzig in den Vorjahren leider keine öffen Termine zur Stunde der Wintervögel anbieten – 2023 ist das nun wieder möglich. Alle Vogelfreunde sind herzlich eingeladen zur gemeinsamen Vogelzählung:
Sonntag, 8. Januar 2023, 10 bis 11 Uhr
Stunde der Wintervögel im Volkspark Kleinzschocher
Winterliche Vogelzählung für Kinder und Erwachsene, falls vorhanden, bitte Fernglas mitbringen.
Treffpunkt: Volkspark Kleinzschocher, Eingang Taborkirche, Windorfer Straße/Kantatenweg.
Die Veranstaltung ist öffentlich, die Teilnahme kostenfrei.
Zudem ist jeder aufgefordert, selbst die Vögel am Futterhäuschen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park zu zählen und dem NABU spätestens bis zum 16. Januar 2023 zu melden
Der NABU Leipzig wird über die Aktionen und Zwischenergebnisse am Ationswochenende berichten.
Auch Kinder können sich an der „Stunde der Wintervögel“ beteiligen, Vögel beobachten und zählen. Zusätzlich gibt es aber auch die „Schulstunde der Wintervögel“, um gemeinsam die heimische winterliche Vogelwelt zu entdecken. Die NAJU bietet dafür eine kindgerechte Zählkarte und ein Begleitheft an. Dieses liefert Informationen, Tipps und Aktionsideen rund um die Vogelbeobachtung mit Kindern und enthält eine Anleitung für eine Wintervogelrallye. mehr
Die Stunde der Wintervögel 2023 findet bei milden Temperaturen statt. Das spricht dafür, dass im Siedlungsraum vergleichsweise wenige Vögel zu beobachten sein werden. Die Vögel verteilen sich bei solchem Wetter mehr in der Landschaft und konzentrieren sich nicht so auf menschliche Siedlungen mit Wärme- und Fütterung. Sie finden in diesem Jahr zunächst Nahrung in der Natur, was auch durch ein sogenanntes Mastjahr begünstigt wird, in dem es überdurchschnittlich viele Baumfrüchte gibt, die als Nahrung dienen.
Entsprechend verlief deutschlandweit Tag 1 der Vogelzählung. Freitagabend lagen Haussperling, Kohl- und Blaumeise auf den vorderen Plätzen der Beobachtungslisten. Das Rotkehlchen wurde ebenfalls
häufig entdeckt und platzierte sich weiter vorne als in den Vorjahren. Zugleich wurden sehr viele Beobachtungen des Zaunkönigs gemeldet. Bereits in den Vorjahren fiel auf, dass er sich im Winter
verstärkt in frostarmen Küstengebieten aufhält, dementsprechend kamen besonders viele Meldungen aus Schleswig-Holstein.
Samstagabend hatten sich deutschlandweit fast 21.000 Menschen an der Zählaktion beteiligt, sie meldeten mehr als 550.000 Vögel. Am häufigsten beobachtet wurden Haussperling, Kohlmeise, Blaumeise,
Amsel, Feldsperling und Elster. In Leipzig liegen im Winter traditionell auch Raben- und Saatkrähe in den Top 10, zudem landete die Ringeltaube hier auf Platz 8 mit deutlich mehr Beobachtungen
als im Vorjahr. Ebenfalls vorn landeten die Blässgans (Platz 2) und die Graugans (Platz 5), was sicherlich auf die Beobachtung einzelner großer Schwärme dieser Wintergäste zurückzuführen ist.
Auch im Leipziger Umland wurden Graugänse vergleichsweise häufig gemeldet, zudem ein weiterer Wintergast – die Wacholderdrossel. Außerdem liegt traditionell im ländlichen Raum der Feldsperling
weiter vorn als im Stadtgebiet, nämlich auf Platz 3, fast gleichauf mit der Kohlmeise auf Platz 2. In Leipzig erreicht der Feldsperling dagegen nur Platz 9.
Beim Rotkehlchen hatten sich die Beobachtungszahlen Samstagabend deutschlandweit normalisiert, in Leipzig und Umgebung war sogar ein Abwärtstrend zu verzeichnen. Der Zaunkönig hingegen bleibt
deutschlandweit bei seinem drastischen Beobachtungsplus, auch in Leipzig und im Umland wurde der winzige Vogel deutlich häufiger beobachtet. Der Eichelhäher, der in diesem Jahr das Plakat zur
Stunde der Wintervögel ziert, war bis Samstagabend seltener zu sehen als im Vorjahr, auch in Leipzig wurde er seltener gemeldet, in Nordsachsen gab es hingegen ein leichtes Plus. Auch das könnte
eine Folge des milden Wetters und des vergleichsweise guten Nahrungsangebots sein, sodass der Eichelhäher in der Landschaft anzutreffen ist und seltener in der großen Stadt. Samstagabend sind
aber alle Zahlen noch Momentaufnahmen und erlauben keine abschließende Interpretation.
Bis Sonntagabend hatten sich deutschlandweit mehr als 51.000 Menschen an der Stunde der Wintervögel beteiligt und mehr als 1,2 Millionen Vögel beobachtet. Auf den vorderen Plätzen rangierten
dabei weiterhin Haussperling, Kohlmeise, Blaumeise und Amsel. Die sogenannten Waldvögel, wie Eichelhäher oder Buchfink, machten sich rar. Die Ursache ist vermutlich das vergleichsweise gute
Nahrungsangebot und das milde Wetter. Beides sorgt dafür, dass diese Vögel eher in den Wäldern und weniger in den Siedlungen zu finden sind. Zugleich wurden Vogelarten verstärkt beobachtet, die
sich bei Frostwetter in anderen Regionen aufhalten würden, beispielsweise Wildgänse. Da man sie normalerweise in großen Schwärmen sieht, erreichen Graugans, Blässgans und Nonnengans durchaus
vordere Plätze auf den Zähllisten.
Besonders kurios macht sich das in der Stadt Leipzig bemerkbar, wo Sonntagabend die Blässgans auf Platz 4 und die Graugans auf Platz 8 zu finden war. Diese Zahlen basieren aber sicherlich auf der
Beobachtung von Schwärmen, die über die Stadt hinwegfliegen. Tatsächlich muss man den Himmel nicht lange beobachten, um Windgänse in der typischen V-Formation zu entdecken, die man oft nicht nur
sehen, sondern auch hören kann. Allerdings ist die Bestimmung der genauen Gänseart für viele sicherlich nicht unproblematisch.
Abweichend vom deutschlandweiten Bild liegt in Leipzig zudem die Rabenkrähe weit vorn, auf Platz 3. Tatsächlich gibt es in der Stadt im Winter Ansammlungen dieser Krähen, die auch große
Schlafgemeinschaften bilden. Hinzu kommen Schwärme von Saatkrähen, die sich ähnlich verhalten und Sonntagabend in Leipzig auf Platz 14 zu finden waren.
Auch im Leipziger Umland unterschiedet sich die „Spitzengruppe“ auf der Zählliste vom deutschlandweiten Bild. Hier sind Haussperling und Kohlmeise auf den vorderen Plätzen, dann folgt aber nicht
die Blaumeise, sondern der Feldsperling. Diese Art zeigt allerdings deutschlandweit einen Abwärtstrend, der im Leipziger Umland sogar besonders deutlich ausfällt mit einem Minus von 30% im Kreis
Nordsachsen und 42% im Landkreis Leipzig, in der Stadt Leipzig sind es minus 17%, deutschlandweit minus 16%. Der Feldsperling ist auf Lebensräume im ländlich geprägten Raum angewiesen, die sich
jedoch ökologisch in besonders prekärem Zustand befinden, was sich hier möglicherweise in den Zahlen widerspiegelt.
Positiv stimmen hingegen die Zahlen beim Grünfink. Dessen Bestände leiden seit vielen Jahren unter einer Infektionskrankheit. Sonntagabend jedoch war der Trend deutschlandweit, wo der Grünfink
auf Platz 9 zu finden ist, stabil; im Leipziger Umland liegt der Grünfink aber sogar auf Platz 5 und verzeichnet ein Plus von 85% in Nordsachsen, von 36% im Landkreis Leipzig und von 61% in der
Stadt Leipzig.
Bemerkenswert in Nordsachsen war Sonntagabend auch die Wacholderdrossel, die hier mit einem Plus von 15% auf Platz 9 zu finden ist, während sie in Leipzig sowie im deutschlandweiten Durchschnitt
seltener beobachtet wurde als im Vorjahr.
Sonntagabend sind jedoch alle Zahlen noch Momentaufnahmen und erlauben keine abschließende Interpretation. Aussagekraft haben sie ohnehin vor allem deutschlandweit, auf der Ebene von Städten und
Kreisen sind die Zahlen weniger verlässlich.
Der NABU Leipzig hatte am Sonntag zur gemeinsamen Vogelbeobachtung im Volkspark Kleinzschocher eingeladen. Rund 20 Naturfreunde, darunter vier Kinder, nutzten die Gelegenheit. Begleitet wurde die
Exkursion zudem von einem Kamerateam des MDR-Sachsenspiegels und von einem dpa-Fotografen. Die Zählung begann mit einsetzendem Regen und mit einem ersten Höhepunkt: Auf der Taborkirche saß ein
Wanderfalke. Dieser Vogel ist nicht gerade alltäglich zu beobachten, saß in diesem Fall jedoch seelenruhig auf einem der Türme.
Nachdem alle den Falken bewundert hatten, erklärte Beatrice Jeschke vom NABU Leipzig den Teilnehmern die Anliegen und Methoden der Stunde der Wintervögel und dann startete der Rundgang durch den
Volkspark Kleinzschocher, bei dem Kohl- und Blaumeisen ständige Begleiter waren. Weil aber immer nur die höchste Anzahl von gleichzeitig beobachteten Vögeln einer Art notiert wird, blieb es auf
dem Zettel bei 4 Kohl- und 3 Blaumeisen. Mehrfach saßen einige Amseln beisammen, wobei man auch Männchen und Weibchen schön unterscheiden konnte; 4 Amseln kamen am Ende auf die Liste. Eher
überraschend war die Beobachtung von 6 Staren, mutmaßlich ebenfalls eine Folge des milden Winters, denn anderenfalls sind die Stare eher in wärmeren Regionen am Mittelmeer. Angesichts des
Frühlingswetters begannen sie nun aber sogar schon zu singen, auch andere Singvögel stimmten bereits ein, wie Amsel, Meisen und Kleiber.
Rabenkrähen und Ringeltauben konnten ebenfalls noch beobachtet werden, ebenso ein Eichelhäher und zwei Buntspechte. An ihrem roten Nackenfleck waren sie als Männchen zu erkennen. Mehrfach konnten
Kernbeißer beobachtet werden. Diese großen Finken haben einen enorm kräftigen Schnabel, mit dem sie auch harte Kerne knacken können. Sie saßen schön sichtbar auf den äußersten Zweigen der Bäume,
ein Kernbeißer aber auch auf einem Parkweg am Boden. Gleich daneben kletterte ein Baumläufer an einem Baumstamm hinauf, der ebenfalls auf die Zählliste kam. Insgesamt wurden bei der
NABU-Exkursion 41 Vögel aus 15 Vogelarten beobachtet.
Zu den Vogelarten, die bei der Stunde der Wintervögel im Volkspark Kleinzschocher beobachtet wurden, zählen auch Baumläufer, Eichelhäher, Buntspecht und Kernbeißer (v.l.n.r.). Fotos: Beatrice Jeschke
Nachdem der Rundgang mit dem Wanderfalken begonnen hatte, endete er mit einem weiblichen Turmfalken, der als letzte Vogelart beobachtet werden konnte. Alljährlich brüten die Turmfalken auf der
Taborkirche, aber wer weiß – vielleicht hat auch der Wanderfalke Interesse, dort einzuziehen.
Der MDR berichtete im SACHSENSPIEGEL über die „Stunde der Wintervögel“. Ein Kamerateam hatte die Exkursion des NABU Leipzig im Volkspark Kleinzschocher begleitet. (Hinweis: Während im Bericht von Blaumeisen gesprochen wird, ist eine Kohlmeise im Bild zu sehen.) Video: MDR SACHSENSPIEGEL, 8.01.2023