Der NABU-Regionalverband Leipzig e.V. trauert um Roland Zitschke. Der Ehrenvorsitzende unseres Vereins starb am 6. September 2024 im Alter von 93 Jahren.
Mit Bewunderung erinnern wir uns an die großen Verdienste unseres Ehrenvorsitzenden für den Naturschutz und für den NABU. Zugleich sind wir dankbar für das Wissen, das er mehreren Generationen
von Naturschützern vermittelt und vererbt hat, das wir auch in seinem Andenken für unsere Arbeit nutzen. Wir erinnern uns an die menschliche, kollegiale Art, mit der er viele Naturschützer stets
mit Rat und Tat unterstützt hat, selbst noch nach seinem gesundheitsbedingten Rückzug aus der aktiven Vereinsarbeit. Leipzig, unser Verein und der NABU insgesamt haben ihm sehr viel zu verdanken.
Die von ihm als Lebensraum geretteten und geliebten Papitzer Lehmlachen sind ein lebendiges Denkmal für sein Wirken. Er war Vordenker der Renaturierung des Leipziger Auenökosystems, die teilweise
nun tatsächlich realisiert wird, auch basierend auf seinen Vorarbeiten. Im Geiste ist er immer unser Mahner, hier noch mehr zu erreichen, die „Flusslandschaft im Dornröschenschlaf“, wie er sie
nannte, wieder zu erwecken.
Wir erinnern uns gerne an seine Schreiben, Exkursionen und Vorträge und persönlichen Gespräche zu dem Thema. Seine Erfahrungen und sein Wissen sind unersetzlich. Wir werden unseren
Ehrenvorsitzenden, der 2011 für sein vorbildhaftes und herausragendes Engagement mit der NABU-Ehrennadel in Gold ausgezeichnet wurde, in Erinnerung behalten und sein Wirken so gut wie möglich
fortsetzen.
Roland Zitschke war gelernter Möbeltischler. Bereits als Kind streifte er durch die Natur, wobei die Wege auch immer wieder zu den Papitzer Lachen führten zu den dort lebenden Fischen und Amphibien. Der Aquarianer holte in den Tümpeln Futter für die eigenen Fische und kam, wie auch einige andere
Naturfreunde, über die Aquaristik zum ehrenamtlichen Naturschutz in der DDR – er wurde Naturschutzhelfer. Seit 1956 findet die Leipziger Naturschutzwoche statt, an der er auf vielfältige Weise
über viele Jahre mitwirkte. Dies gilt ebenso für den Tag des Leipziger Auwaldes, der seit 1994 jährlich am 16. April stattfindet.
In den Siebzigerjahren gab es Pläne, die ökologisch so wertvollen Papitzer Lachen zuzuschütten, Roland Zitschke ist es gelungen, diesen Frevel zu verhindern. Die Rettung dieses Lebensraums
ermöglichte nachfolgend auch die Ausweisung als Naturschutzgebiet. Roland Zitschke engagierte sich dort als Schutzgebietsbetreuer und blieb es, bis er erst im hohen Alter gesundheitlich diese
Aufgabe nicht mehr wahrnehmen konnte. 2011 war er zum letzten Mal bei einem Arbeitseinsatz an den Papitzer Lachen dabei, als der NABU Leipzig versuchte, mit einer Faschinenwand den Wasserabfluss
aus einigen Lachen zu verhindern.
Für Roland Zitschke waren die Papitzer Lachen vier Jahrzehnte lang der besondere Schwerpunkt seiner ehrenamtlichen Arbeit. Die sehr umfangreichen Zeugnisse seines Wirkens im Naturschutz hat er
als Vorlass-Spende dem Naturkundemuseum Leipzig als regionalem Archiv der Natur übergeben. Dort wartet ein großer Aktenschrank voll Schriftstücken, Fotos und Kartierungsergebnissen auf ihre
Digitalisierung und öffentliche Präsentation, darunter auch seine über mehrere Jahrzehnte durchgeführte Dokumentation der balzenden und laichenden Amphibienbestände in den Papitzer Lachen.
Mit der Rettung der Papitzer Lachen und ihrer Unterschutzstellung wurden auch die Lebensräume in dem Feuchtgebiet gesichert. Es ist aber nötig, den Zustand durch Biotoppflege zu erhalten, sonst
droht Verbuschung der Feuchtwiesen und Verlandung der Amphibienlaichgewässer. Die Populationen von Moorfrosch, Laubfrosch und Rotbauchunke standen kurz vor dem Aussterben und konnten durch viele
kluge und tatkräftige Aktionen, die Roland Zitschke initiierte, gerettet werden. Der Kiesabbau in den Achtzigerjahren im Großen Gehege wurde aufgrund seiner Anregungen so gestaltet, dass mehrere
unterschiedlich große Gewässer entstanden und damit die Strukturvielfalt verbessert wurde. In den Neunzigerjahren gelang es dem NABU, eine künstliche Wasserversorgung der Lachen mit Hilfe eines
Auslassbauwerks aus der Weißen Elster zu sichern – ein weiterer entscheidender Beitrag zum Erhalt dieses Feuchtgebietes, das bis heute von den Folgen dieser Aktivitäten lebt.
Seit 1983 war Roland Zitschke Mitglied im Bezirksfachausschuss Feldherpetologie, der später zum Landesfachausschuss Feldherpetologie und Ichthyofaunistik im NABU Sachsen wurde. Mitglied des NABU war Roland Zitschke seit dessen Gründung 1990, und er war maßgeblich am Aufbau des Naturschutzbunds in der Region Leipzig beteiligt. Dazu gehörte auch die Gründung des NABU Leipzig und der Aufbau einer Geschäftsstelle. Roland Zitschke war Gründungsmitglied und viele Jahre Stellvertretender Vorsitzender des NABU Leipzig und wurde aufgrund seiner Verdienste 1997 Ehrenvorsitzender.
Über viele Jahre leitete Roland Zitschke den Fachbeirat des NABU Leipzig. In seiner monatlichen Sitzung im Naturkundemuseum wurden naturschutzfachliche und -rechtliche, ökologische und naturwissenschaftliche Probleme sowie die Stellungnahmen zu öffentlichen Beteiligungsverfahren besprochen und Informationen zu aktuellen Beobachtungen ausgetauscht. Zudem war Roland Zitschke über fast zwei Jahrzehnte als Vertreter des NABU Mitglied des Naturschutzbeirats der Stadt Leipzig.
Als die DDR nach der Wende Großschutzgebiete auswies und der Zustand der Natur sich verbesserte, reiften Ideen, die Leipziger Auenlandschaft mit ihren einstmals zahllosen Fließgewässern zu renaturieren. Roland Zitschke setzte sich sehr aktiv für die Schaffung des Burgauenbaches ein, auch um eine ökologisch vertretbare Wasserversorgung der Waldspitzlachen wieder herzustellen. Aus den Erfahrungen der immer schlimmer werdenden Entwässerung der Auenlandschaft durch die Neue Luppe, die er als „Krebsschaden der Nordwestaue Leipzigs“ bezeichnete und den Erfahrungen mit dem Burgauenbach wurde Roland Zitschke zum Mitinitiator der Idee, die Luppeaue aus dem „Dornröschenschlaf“ zu wecken und hier die Auendynamik wieder herzustellen. Aus der Idee entstand später das Projekt „Lebendige Luppe“. Auch nachdem Roland Zitschke sich im Alter von 80 Jahren aus der aktiven Naturschutzarbeit zurückzog, konnte er bei der Realisierung des Projektes noch beraten. Die wissenschaftliche Begleitforschung des Projektes konnte von seinen langjährigen Vorarbeiten im Gelände profitieren und auf seinen umfangreichen Datenschatz zurückgreifen.
Auch die praktische Naturschutzarbeit des NABU Leipzig in der Auenlandschaft und im Stadtnaturschutz profitierte weiterhin von seinen Ratschlägen. Mit Sorge beobachtete der Naturschützer nach
vielen Jahren des Engagements den fortschreitenden Verlust von Stadtnatur, auch direkt vor der eigenen Haustür. Bis ins hohe Alter scheute sich Roland Zitschke daher nicht, mit Schreiben an
Behörden und Firmen auf Naturfrevel hinzuweisen und für den Schutz der heimischen Natur zu werben. Ein besonderes Anliegen war ihm der Zustand der Leipziger Fließ- und Standgewässer, die er als
gemeinsame Lebensräume für Fische und Amphibien verstand. Noch 2019 begleitete er Initiativen des NABU Leipzig, Fischsterben durch Abwassereinleitungen zu verhindern, was trotz seiner
jahrzehntelangen Mahnungen traurigerweise bis jetzt noch nicht gelungen ist. Schreiben an Behörden, in denen er auf Missstände im Naturschutz hinweist, füllen Ordnerreihen. Viele dieser Schreiben
blieben unbeantwortet, viele Probleme sind noch immer ungelöst, was bei Roland Zitschke immer wieder für Groll gegen das Agieren von Behörden sorgte.
Mit Roland Zitschke verlässt uns ein Naturschützer der ersten Stunde, der den NABU in Leipzig mit aufbaute. Die Lücke, die er mit seinem Wissen und seiner Erfahrung hinterlässt, ist groß und wird
bleiben. Der Erhalt von Lebensräumen und Biodiversität in Leipzig und Umgebung ist an vielen Stellen auch sein Erbe und ihr Schutz immer ein ehrendes Gedenken an den engagierten Naturschützer
Roland Zitschke.